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Urteil: OGH: Umgehung der Vorschriften für Lebensversicherungen durch Seminarverträge

Die Seminarverträge von Blue Vest Equity (nunmehr Status Finanzservice GmbH) höhlen die Schutzbestimmungen des § 176 VersVG für den Fall einer vorzeitigen Auflösung von Lebensversicherungen aus. Nach § 176 VersVG besteht bei vorzeitiger Auflösung nämlich nur ein anteiliger Provisionsanspruch, Klauseln in den Seminarverträgen sollen dem Vermittler hingegen den Provisionsanspruch in weiterem Umfang sichern.

Die Blue Vest Equitiy Finanzmanagement Gmbh (nunmehr Status Finanzservice GmbH) war im Bereich Vermögensberatung und Versicherungsvermittlung tätig. Seit dem Früjahr 2012 wurden einem Teil jener Kunden, die ein Vorsorgekonzept abschlossen, Seminarverträge angeboten. Der Preis für die Seminarverträge betrug bis zu EUR 3.990,--.

Der VKI ging im Auftrag der AK Oberösterreich gegen Klauseln in den Seminarverträgen vor. Es bestand der Verdacht, dass die Seminarverträge zur Umgehung der Schutzbestimmungen bei der vorzeitigen Auflösung von Lebensversicherungen abgeschlossen wurden.

Nach dem Versicherungsvertragsgesetz verliert ein Versicherungsvermittler nämlich einen Teil seines Provisionsanspruchs bei Beendigung einer Lebensversicherung vor dem Ablauf von fünf Jahren. Genau das soll von den Klauseln in ihrer Gesamtheit allerdings unterlaufen werden. In den Klauseln der Seminarverträge wurde der Seminarpreis zwar gestundet, allerdings nur dann, wenn die im Vorsorgekonzept vermittelte Lebensversicherung 5 Jahre bestehen blieb.

Folgende Klauseln wurden inkriminiert:

1.    Durch Abschluss dieses Seminarvertrages ist der Kunde berechtigt ab sofort für die Dauer von 6 Jahren an 8 Seminaren a 6 Stunden, veranstaltet durch die Gesellschaft teilzunehmen. Seminarinhalt: Themen rund ums Geld, wie z.B Erben und Schenken, Arbeitnehmerrechte, Steuerausgleich, Mieterrechte, Förderungen und Subventionen, Pensionsproblematik, Veranlagungen, Vermögensverwaltung, Versicherungen und Produktpräsentationen;

2.    In Abänderung zu Ziffer 4. stundet die Gesellschaft den fälligen Preis solange alle unter Ziffer 2. angeführten Vorsorgekonzepte, wie ursprünglich beantragt, zustande kommen und bezahlt werden.

3.    Werden alle unter Ziffer 2 angeführten Vorsorgekonzepte länger als 5 Jahre, wie ursprünglich beantragt, bezahlt, so verzichtet die Gesellschaft auf die Bezahlung des Preises.

4.    Wegen der rechtlichen Unabhängigkeit dieses Seminarvertrages von den angeführten Vorsorgekonzepten (siehe Ziffer 2.) ist der Kunde auch im Falles der Änderung oder vorzeitigen Beendigung eines der unter Ziffer 2. Angeführten Vorsorgekonzepte in den ersten 5 Jahren zur Zahlung des Preises (siehe Ziffer 3.) verpflichtet. Der Preis (siehe Ziffer 3.) ist auch bei wirksamer Anfechtung oder Aufhebung eines Vorsorgekonzeptes zu bezahlen.

5.    Bei Widerruf der Vollmacht gemäß Ziffer 8. In den ersten 5 Jahren der Zahldauer der Vorsorgekonzepte entfallen Ziffer 5. und 6.

6.    Eine Zustimmung des Kunden zur Datenverwendung gilt als erteilt.

Der Oberste Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass die Seminarverträge und das Vorsorgekonzept in einem rechtlichen Zusammenhang stehen. Im Regelfall schließt ein Konsument neben einem Seminarvertrag auch ein Vorsorgekonzept ab. Die "Gratisseminare" sollen demnach ein Anreiz sein, zusätzlich zum Vorsorgekonzept einen Seminarvertrag abzuschließen, weil der Kunde die Seminarkosten nicht zahlen muss, wenn er sich ausreichend lange an das Vorsorgekonzept bindet.

Liegt dem Vorsorgekonzept eine kapitalbildende Lebensversicherung zugrunde, verstößt das Gesamtkonzept des Seminarvertrages gegen § 879 Abs 3 ABGB, da damit die Schutzbestimmung des § 176 Abs 6 VersVG umgangen werden. Nach dieser Bestimmung hat der Vermittler bei Auflösung der einer Lebensversicherung nur Anspruch auf jenen Teil der Provision, der dem Verhältnis der tatsächlichen Laufzeit und dem Zeitraum von 5 Jahren entspricht. Eine Vereinbarung, wonach dem Vermittler ein höherer Provisionsanspruch zusteht, ist unwirksam. Ebensowenig darf diese Vorgabe durch eine Konvetuionalstrafe umgangen werden. Daher ist die Vermittlungsprovision bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung im Fall der vorzeitigen Beendigung zu aliquotieren.

Der mit § 176 Abs 6 VersVG verfolgte Schutzzweck, dass der Rückkaufswert im Fall einer vorzeitigen Auflösung durch Abschlusskosten nicht unangemessen vermindert wird, darf durch Abschluss eines "separaten" Seminarvertrages nicht ausgehöhlt werden. Darauf läuft aber die Verpflichtung zur Zahlung des Seminarbeitrages bei Beendigung der Lebensversicherung hinaus. Der Seminarvertrag dient nur dazu, den Provisionsanspruch des Vermittlers zu bewahren.

Darüber hinaus ist die 1. Klausel intransparent, weil für Konsumenten nicht ersichtlich ist, welchen konkreten Inhalt die gebuchten Seminare haben. Dies widerspricht dem Bestimmtheitsgebot des § 6 Abs 3 KSchG.

Bezahlte Seminargebühren sind daher an die Konsumenten zurückzuzahlen.

OGH 2.7.2015, 7 Ob 73/15h
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Klagevertreter: Dr. Walter Reichholf, RA in Wien

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