Zum Inhalt

Kein FernFinG-Rücktrittsrecht bei Vertragsabschluss über Makler

Der OGH hatte mehrere Rücktrittsrechte in einem Fall zu prüfen, in dem ein Versicherungsnehmer sechs Jahre nach Vertragsabschluss von einem Lebensversicherungsvertrag zurücktrat. Er verneinte alle zu prüfenden Rücktrittsrechte.

Der Kläger, ein Verbraucher, schloss mit der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag ab. Der Versicherungsvertrag kam über einen Versicherungsmakler zustande. Der Vertrag wurde Ende 2012 bei einem Treffen zwischen ihm und dem Kläger abgeschlossen. 2018 erklärte der Kläger den Rücktritt.

§ 8 FernFinG (Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz)

Die Unterfertigung eines Antrags auf Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags im Zuge eines persönlichen Kontakts zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsmakler erfolgt nicht im Rahmen eines „für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw Dienstleistungssystems“. Der Versicherungsmakler ist dabei in einer Doppelfunktion tätig, in der er auch die Produktinformationen des Versicherers an den Kunden vermittelt. Die dem Versicherungsnehmer dabei gewährleisteten Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsmaklers sind der von der FDRL (Fern-Finanzdienstleistungs-RL (2002/65/EG) und dem FernFinG angestrebten Informationslage jedenfalls gleichwertig. Bei teleologischer, am evidenten Schutzzweck der genannten Rechtsgrundlagen orientierter Auslegung ist daher im Fall der Verfassung der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers im persönlichen Kontakt mit dem Versicherungsmakler der für den Fernabsatz vorgesehene Rücktritt nach § 8 FernFinG ausgeschlossen.

§ 165a Abs 1 VersVG aF (Versicherungsvertragsgesetz)

Der Kläger hielt die Belehrung über den Vertragsrücktritt nach § 165a VersVG (aF) deshalb für unrichtig, weil dafür die Schriftform verlangt wird. Nach stRsp des OGH besteht kein darauf gestütztes Recht auf einen Spätrücktritt.

§ 5b VersVG aF (Versicherungsvertragsgesetz)

Der Kläger hat seine Vertragserklärung, also den Versicherungsantrag, nicht, wie dies § 5b Abs 1 VersVG (aF) voraussetzt, dem Versicherer oder seinem Beauftragten (einem Versicherungsvermittler) gegenüber persönlich, sondern per Post durch den von ihm beauftragten Versicherungsmakler, der dem Kläger den Versicherungsantrag zur Verfügung stellte, abgegeben. Schon aus diesem Grund ist § 5b Abs 1 VersVG (aF) nicht anwendbar.

Der Kläger hat vom Versicherungsmakler eine Antragskopie ausgehändigt erhalten, womit der Rücktrittsgrund nach § 5b Abs 2 Z 1 VersVG (aF) ausscheidet.

Aufgrund der Art des Zustandekommens des Vertrags über Einschaltung eines Versicherungsmaklers konnte die Beklagte dem Kläger die AVB vor Abgabe seiner Vertragserklärung (Übermittlung des Versicherungsantrags an die Beklagte) nicht zur Verfügung stellen. Damit scheidet nach bereits vorliegender Rechtsprechung, auch der Vertragsrücktritt nach § 5b Abs 2 Z 2 VersVG (aF) aus, hat doch die Beklagte die AVB mit der Polizze übermittelt (§ 5b Abs 4 VersVG).

OGH 17.12.2020, 7 Ob 147/20y

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht abgelehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Unzulässige Klausel zum Pensionswahlrecht

Der VKI unterstützte – im Auftrag des BMSGPK – erfolgreich einen Konsumenten, der bei der Generali Versicherungs AG eine Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen hatte.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Urteil zur vorzeitigen Kreditrückzahlung

Der VKI führt im Auftrag des Sozialministeriums ein Verfahren gegen die Unicredit Bank Austria AG. Es geht in dem Verfahren um die Frage, ob bei vorzeitiger Kreditrückzahlung auch die laufzeitunabhängigen Kosten anteilig zurückerstattet werden müssen und ob dies auch für die Rechtslage vor dem 1.1.2021 gilt. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und bestätigte, dass auch nach der alten Rechtslage bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nicht nur die laufzeitabhängigen Kosten, sondern auch die laufzeitunabhängigen Kosten anteilig von der Bank zurückzuerstatten sind. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zum Seitenanfang