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Urteil: OGH Taggeld in der Unfallversicherung auch bei Arbeitslosigkeit

Eine private Unfallversicherung muss nach den AUVB 1994 auch dann Taggeld bezahlen, wenn der Unfall in der Arbeitslosigkeit passiert.

Der VKI hatte - im Auftrag des BMSG - eine private Unfallversicherung auf Zahlung von Taggeld nach einem Unfall geklagt. Die Versicherung hatte argumentiert, dass ein Anspruch auf Taggeld nach den AUVB 1994 nur bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit im Beruf zu leisten wäre, bei Arbeitslosigkeit bestünde hingegen kein Anspruch auf Taggeld. Erst- und Zweitgericht hatten der Klage des VKI Folge gegeben (vgl. VR-Info 7/2004 und 11/2004). Der OGH hat diese Entscheidungen nunmehr bestätigt.

Der Entscheidung des OGH liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Konsument schloss im April 2000 eine private Unfallversicherung ab, in der neben dem Risiko Invalidität auch das Risiko Taggeld versichert war. Ab Oktober 2001 war der Konsument arbeitslos. Am 29.4.2002 schloss er einen mündlichen Arbeitsvertrag, Arbeitsbeginn sollte aufgrund des Feiertages der 2.5.2002 sein. Die Anmeldung bei der Sozialversicherung hätte rückwirkend datiert mit 29.4.2002 erfolgen sollen. Am 1.5.2002 wurde der Konsument bei einem Unfall so schwer verletzt, dass er seither invalide ist. Auf Grund des Unfalles wurde der Arbeitsvertrag einvernehmlich aufgelöst.

Im Versicherungsvertrag wurde die Geltung der Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1994) vereinbart. Art. 6.3 AUVB 1994 lautet: "Taggeld wird bei dauernder oder vorübergehender Invalidität für die Dauer der voll-ständigen Arbeitsunfähigkeit im Beruf oder in der Beschäftigung des Versicherten für längstens 365 Tage innerhalb von zwei Jahren ab dem Unfalltag gezahlt."

Der OGH verweist zunächst darauf, dass man sich bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen am Verständnis eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu orientieren hat. Dies kommt den Kriterien der §§ 914 ABGB nahe, Unklarheiten sind somit zu Lasten des Versicherers auszulegen.

Danach setzt sich der OGH näher mit der Bestimmung des Art. 6.3. AUVB 1994 auseinander. Er weist darauf hin, dass der Wortlaut des Art. 6.3. AUVB 1994 nicht darauf abstellt, ob der Beruf oder die Beschäftigung im Zeitpunkt des Versicherungsfalles ausgeübt wird. Vielmehr ist der Beruf bzw. die Beschäftigung nur der Maßstab, an dem die Arbeitsunfähigkeit gemessen wird. Nach Art. 2.2.1. AUVB 1994 sind nur dauernd vollständig arbeitsunfähige Personen unversicherbar. Da die Arbeitslosigkeit nur eine vorübergehende Nichtausübung des Berufes darstellt und einer Arbeitsunfähigkeit nicht gleichzustellen ist, ergibt sich aus Art. 6.3. AUVB 1994, dass auch arbeitslose Personen Taggeld erhalten.

Eine derartige Auslegung entspricht auch dem Zweck des Taggeldes als Ausgleich für die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit. Die Invalidität hat auch auf die Arbeitsfähigkeit eines Arbeitslosen Einfluss, nämlich auf die potentielle Chance, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Im vorliegenden Fall wurde sogar nicht nur die potentielle Chance eines Wiedereinstieges beeinträchtigt, vielmehr führte der Unfall zur Auflösung eines abgeschlossenen Arbeitsvertrages.

Die vorliegende Entscheidung ist auch für die aktuellen Versicherungsbedingungen in der Unfallversicherung bedeutsam. Art. 10 der Verbands-Musterbedingungen (AUVB 2002) ist nämlich wortgleich wie die gegenständliche Klausel des Art. 6.3. der AUVB 1994.

OGH 2.3.2005, 7 Ob 316/04b

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Klagevertreter: Dr. Dieter Gallistl, RA in Linz

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