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Urteil: HG Wien: Klausel zur Erklärungsfiktion gesetzwidrig

Eine Klausel, welche mittels Erklärungsfiktion nach § 6 Abs 1 Z 2 KSchG vollkommen unbeschränkte Änderungen eines Vertrages - somit auch solche der Hauptleistungen - erlaubt, ist gesetzwidrig.

Der VKI klagte im Auftrag des BMASK die Zürich Versicherungs AG wegen der Verwendung einer Vertragsklausel, wonach Vertragsänderungen im Wege des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG unbeschränkt möglich sein sollen. Die Versicherung würde dazu ein Angebot für die geplante Änderung übermitteln. Widerspricht der Kunde innerhalb von 2 Monaten nicht, gilt diese Änderung als vereinbart.

Die Klausel lautete: Änderungen bei bestehenden Verträgen müssen zwischen Ihnen und Zürich vereinbart werden. Zürich kann Ihnen dazu jederzeit, allerdings frühestens nach Ablauf des ersten Versicherungsjahres, ein Angebot auf Änderung des bestehenden Vertrages unterbreiten. Wenn Sie ein solches, unter Berufung auf diese Klausel gemachtes Angebot zur Vertragsänderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Angebotes ausdrücklich ablehnen, gilt Ihr Schweigen als Zustimmung zu diesem Änderungsangebot und wird die von Zürich angebotene Vertragsänderung Vertragsinhalt. Auf die Bedeutung des Schweigens und die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von zwei Monaten eine ausdrückliche Erklärung abzugeben, wird Sie Zürich in diesem Angebot auf Vertragsänderung besonders hinweisen. Kommt eine Willenseinigung zwischen Ihnen und Zürich aufgrund Ihres ausdrücklichen Widerspruches nicht zustande, unterbleibt die Durchführung der angebotenen Vertragsänderung.

Die Klausel findet grundsätzlich in allen Versicherungsparten Anwendung. Sie befindet sich unter der Zwischenüberschrift "Änderungen des Vertrages" und beginnt mit dem Satz: Änderungen bei bestehenden Verträgen müssen zwischen Ihnen und Zürich vereinbart werden.

Das HG Wien geht davon aus, dass eine derartige Gestaltung die Klausel ungewöhnlich und überraschend im Sinn des § 864a ABGB macht, weil nach dem gewissermaßen entwarnenden Einleitungsteil der Klausel in Wahrheit das Gegenteil folgt. Nämlich, dass Vertragsänderungen gerade doch nicht ausdrücklich vereinbart werden müssen, sondern auch durch Schweigen des Verbrauchers zustande kommen können.

Die Klausel ist aber auch gröblich benachteiliegend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Das HG Wien verweist dazu auf 6 Ob 85/11k und eine Entscheidung des BGH (III ZR 63/07), wonach es für die Änderung der essentialia des Vertrages, insbesondere der vom Unternehmer geschuldeten Leistungen, einer individualvertraglichen Änderung bedarf. Eine sachliche Rechtfertigung für eine derart weitreichende, inhaltlich unbeschränkte Änderungsmöglichkeit, bei der KonsumentInnen aktiv bzw. kosten- und zeitintensiv reagieren müssen, ist nicht ersichtlich.

Da die Klausel auch nicht klar macht, welchen weiten Spielraum sich die Versicherung dadurch für Änderungen vorbehält, ist sie nach Einschätzung des HG Wien auch intransparent.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

HG Wien 28.8.2012, 39 Cg 57/11t
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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