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Urteil: Amis Anleger müssen nicht den Ausgang des Konkursverfahrens abwarten um gegebenenfalls Entschädigungen zu erhalten

Das OLG hat entschieden, dass die Anlegerentschädigungseinrichtung Anmeldungen unverzüglich zu prüfen und gegebenenfalls Entschädigungen sukzessive binnen einer jeweils dreimonatigen Frist auszubezahlen hat. Auch ein mittelbares Halten von Kundengeldern kann zu einer Anlegerentschädigung iSd Wertpapieraufsichtsgesetzes (WAG) führen.

Der AMIS Sammelklageverein - mit dem Prozesskostenfinanzierer ADVOFIN - hatte für 13 Anleger auf Feststellung geklagt, dass die AeW zum Ersatz von bis zu max. € 20.000,-- pro Anleger dem Grunde nach verpflichtet sei, und zwar 1.) der Anlegerforderungen aus dem Vermögensverwaltungsvertrag mit der AFC (= Amis Financial Consulting AG, 2.) in eventu zum Ersatz der Schadenersatzforderungen der Anleger, 3.) in eventu zum Ersatz der im Konkurs festgestellten Forderungen, jeweils unabhängig davon, ob veranlagte Gelder von der AFC gehalten worden seien oder nicht. 4.) wurde in eventu mit einer Leistungsklage auf Bezahlung von über € 100.000,-- geklagt.

Der Kläger brachte dabei vor, dass die AFC - wie bereits davor die Amis Asset - Kundengelder sowohl direkt gehalten als auch über von ihr durch Beteiligungen oder persönliche Verflechtungen kontrollierte Untenehmen unmittelbaren Zugriff auf diese gehabt habe und sie mittelbar gehalten habe.

Das Erstgericht (HG Wien) hatte die Klage noch zur Gänze abgewiesen. Begründet wurde dies mit § 23c Abs 4 WAG, wonach die Entschädigungseinrichtung zu gewährleisten hat, dass Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen bis zu maximal € 20 000,-- pro Anleger auszubezahlen sind, und zwar innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem die Höhe und die Berechtigung der Forderung festgestellt wurden. "Feststellung" meine eine gerichtliche Feststellung entweder im Konkursverfahren oder sonst einem gerichtlichen Verfahren zwischen Anleger und Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDLU). Ohne diese Voraussetzung könne die Entschädigungspflicht nicht entstanden sein.

Nach dem OLG Wien ist die Feststellung der Höhe und Berechtigung des Ersatzanspruches - im Gegensatz zur Einlagesicherung, bei der es nur der Legitimierung bedarf - Voraussetzung für die Entschädigung. Diese Unterschied sei sachlich gerechtfertigt. Das Gesetz (weder § 93 Abs 3a BWG noch § 23c Abs 3 WAG) sage aber nicht, durch wen eine solche Feststellung zu erfolgen hat.

Mit Verweis auf die Judikatur zur Einlagensicherung spricht das OLG Wien aus, dass auch die Anlegerentschädigung zum einen ein vom Konkursverfahren unabhängiger Anspruch gegen die Anlegerentschädigungseinrichtung sei und zum anderen auch hier das Bedürfnis nach einem raschen Ablauf bestehe. Die Vorschaltung eines Gerichtsverfahrens zwischen Anleger und WPDLU (oder dem Masseverwalter) entspreche nicht dem Wesen der erkennbar angestrebten Schnelligkeit mit der die Anleger entschädigt werden sollen. Die Entschädigungseinrichtung habe Anmeldungen unverzüglich zu prüfen und gegebenenfalls Entschädigungen sukzessive binnen einer für jede Forderung jeweils neu laufenden Frist von drei Monaten auszubezahlen. Sie dürfe den Anmeldezeitraum von einem Jahr ab Konkurseröffnung nicht abwarten und dann - erst nach Ablauf von einem Jahr und drei Monaten - auf einen Schlag alle Forderungen befriedigen.

Bezüglich der Feststellungsbegehren der Punkt 1.) bis 3.) wurde das erstinstanzliche Urteil bestätigt, zum einen weil es gerade darauf ankomme, ob die Gelder gehalten wurden und zum anderen weil bereits ein Leistungsbegehren gestellt werden kann, sodass die Feststellungsklage nicht mehr zulässig ist.

Hingegen wurde der Berufung hinsichtlich Punkt 4.) Folge gegeben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheindung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im fortgesetzten Verfahren wird daher festzustellen sein, inwieweit und in welcher Höhe Gelder von der AFC gehalten wurden. Dabei ist auch auf die Behauptung, Gelder seien mittelbar gehalten worden, einzugehen. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass der Schutz durch die Anlegerentschädigung bereits dann entfallen solle, wenn schon einfache Konstruktionen der wirtschaftlichen Beherrschung oder Personenidentität der leitenden Organe verbundener Unternehmen dazu führen, dass genau das gleiche Risiko durch mittelbares Halten besteht, wie wenn das WPDLU konzessionswidrig die Gelder direkt hält.
Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Die ordentliche Revision und der Rekurs an den OGH wurden zugelassen, da Rechtsprechung zur Auslegung der Anlegerentschädigung iSd §§ 23 ff WAG fehlt.

OLG Wien 20.04.2007, 4 R 9/07h
Klagevertreter: Mag. Ulrich Salburg, RA in Wien

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