Zum Inhalt

Urteil: Erste Bank "Snowball Bonds" gröblich benachteiligend

HG Wien gibt Verbandsklage des VKI statt. Zins- und Kündigungsklauseln in Bankschuldverschreibung sind gesetzwidrig.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ging - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - mit Verbandsklage gegen Zins- und Kündigungsklauseln in Bankschuldverschreibungen der Erste Bank vor. In den sogenannten "Snowball Bonds" wurden die Kunden mit einem hohen Einstiegszinssatz geworben. Dies war aber nur ein Jahr fix; danach sollte sich der Zinssatz variabel nach einer komplexen Formel invers zum EURIBOR entwickeln. Bei niedrigem EURIBOR würde der Kunde gute Zinsen bekommen, bei steigendem EURIBOR dagegen würden sich die Zinsen des Kunden bis zu Null entwickeln. (Im Fall des Snowball X sollten die Zinsen, wären sie einmal Null, immer auf Null bleiben - egal wie sich der EURIBOR weiter entwickelt.) Dazu kam, dass diese Produkte zu Zeiten verkauft wurden, als der EURIBOR einen historischen Tiefststand erreicht hatte und man nur mit einem Ansteigen rechnen konnte.

Dazu kam, dass der Kunde auf Jahre (zwischen 7 und 10) gebunden war, die Bank aber nach Ablauf des ersten Jahres vorzeitig kündigen können sollte. Der Effekt: Entwicklet sich der Zinssatz zuungunsten des Kunden (gegen Null), ist der Kunde gebunden; entwickelt sich der Zinssatz dagegen zugunsten des Kunden, dann kann die Bank aussteigen.

Das Handelsgericht Wien hat alle diese Klauseln als gesetzwidrig angesehen:

Die Zinsanpassungsklausel der Snowball Bond Anleihen der Erste Bank benachteiligen die Konsumenten gröblich, die Kündigungsmöglichkeit der Bank stellt ein unzulässiges einseitiges Leistungsänderungsrecht der Bank dar.

Als Vorfrage für die Klauselinhaltskontrolle des § 879 Abs 3 AGBG hatte das HG Wien zu klären, ob es sich bei der Zinsklausel einer Bankschludverschreibung um Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsformblätter handelt und ob es sich bei der Zinsklausel um eine Nebenleistungspflicht im Sinn der genannten gesetzlichen Bestimmung handelt. Beides bejahte das Gericht.

Die Zinsgleitklausel der Snowball Bond Schuldverschreibungen sieht vor, dass ein Ansteigen des Geldmarktindikators Euribor ein Absinken des Kupon-Zinssatzes bewirkt. Durch die Ausgabe der Bankschuldverschreibungen zu einem Zeitpunkt als der Euribor auf einem Tiefstand lag, war ein Fallen des Zinssatzes auf Null eine ex ante erkennbare Folge, weil, wie das HG Wien in seinem Urteil ausführt, nicht seriös erwartet werden konnte, dass der Euribor über mehrere Jahre den extremen Tiefstand beibehalten würde. Da aber jeder Anleger davon ausgeht, dass er sein Kapital ertragreich anlegen kann, und der hohe Anfangszinssatz der Snowball Bonds diese Möglichkeit auch suggeriert, beurteilte das Gericht die Zinsgleitklausel als gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB.

Für einen Bankkunden sind die Auswirkungen der Zinsgleitklausel nicht ohne weiteres, nämlich nicht ohne Berechnungen anzustellen, erkennbar. Die Klausel ist somit auch intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG.

Durch das Kündigungsrecht das halbjährlich von der Bank ausgeübt werden kann, hat sich die Erste Bank ein einseitiges Leistungsänderungsrecht eingeräumt, das § 6 Abs 2 Z 3 KSchG zuwiderläuft: Bei einer für das Kreditinstitut ungünstigen Entwicklung des Euribor, also dessen Stagnieren oder Sinken, hat die Bank die Möglichkeit die Vertragsbeziehung aufzulösen und die Auszahlung hoher Kuponzinsen zu verhindern. Dem Konsumenten steht diese Möglichkeit nicht zu. Er erhält bei steigendem Euribor - der eine Zinssteigerung am Anlagemarkt bewirkt - eine sinkende bis keine Verzinsung seines Kapitals. Das wiederum bewirkt einen sinkenden Kurswert der Schuldverschreibung, wodurch das Wertpapier nur mit großen Kursverlusten weiterveräußert werden kann. Im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Zinsgleitklausel hat das HG Wien die einseitige Kündigungsmöglichkeit der Bank daher als gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstoßend für unzulässig erklärt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

HG Wien am 29.5.2009, 17 Cg 46/08h
Klagevertreter: Dr. Alexander Klauser, RA in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht abgelehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Unzulässige Klausel zum Pensionswahlrecht

Der VKI unterstützte – im Auftrag des BMSGPK – erfolgreich einen Konsumenten, der bei der Generali Versicherungs AG eine Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen hatte.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Zum Seitenanfang