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Urteil: Zinsgleitklausel/Aufrundungsspirale - VKI-Etappensieg gegen RLB NÖ-Wien

Das OLG Wien bestätigt als Berufungsgericht die Rechtsansicht des VKI zu "neuen" Zinsgleitklauseln: Die "Aufrundungsklausel" ist gesetzwidrig und die Bank muss Zinssätze und Kapitaltilgung bei laufenden Krediten von sich aus richtig stellen.

Die Kreditverträge der RLB NÖ-Wien enthielten seit 1.3.1997 eine Zinsgleitklausel, die vorsah, das Ergebnis jeder Zinsänderung "auf volle Achtel-Prozentpunkte aufzurunden". Da sich aus dieser Klausel eine Aufrundungsspirale ergibt, bei der die Bank erheblich mehr Zinsen kassieren kann, als etwa bei einer kaufmännischen Rundung, hat der VKI die RLB NÖ-Wien abgemahnt. Die Bank gab eine Unterlassungserklärung ab und verwendet - nach eigenen Angaben - die Klausel in heute abgeschlossenen Kreditverträgen nicht mehr. Strittig blieb, ob die Bank verpflichtet sei, bei laufenden Kreditverträgen, die diese Klausel noch enthielten, eine Richtigstellung des Zinssatzes und der zu geringen Abdeckung der Kapitalstilgung von sich aus vorzunehmen. Schließlich ist die Bank vom Gesetzgeber, aber auch aus der Unterlassungserklärung verpflichtet, sich nicht auf die gesetzwidrige Klausel zu berufen.

Auf gesetzwidrige Klauseln berufen

Der VKI klagte - im Auftrag des BMJ - daher insbesondere darauf, dass es die Bank unterlassen möge, sich bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge auf die genannte Zinsgleitklausel dadurch zu berufen, dass

  1. jene zu hohen Zinssätze und/oder
  2. jene zu geringe Abdeckung des aushaftenden Kapitals zugrundegelegt wird,

die bis zum 2. Quartal 2001 unter Anwendung der gesetzwidrigen Klausel ermittelt wurden.

Sieg in zweiter Instanz

Dieses Begehren wurde in zwei Instanzen zugesprochen. Die "Aufrundungsspirale" verstößt gegen
§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG, weil es für diese Rundungsregel keine sachliche Rechtfertigung gäbe. Vielmehr dränge sich der Verdacht auf, dass die Rundung immer nur nach oben dazu diene, nachträglich innerbetriebliche Kosten auf den Kunden zu überwälzen. Die Bank wolle offenbar bei Vertragsabschluss günstigere Konditionen anbieten können, die letztlich über die Rundungsvorschriften "refinanziert" würden. Die Benachteiligung des Verbrauchers könne auch ohne komplizierte mathematische Berechnung nicht zweifelhaft sein.

Auch bei bestehenden Verträgen

Aus § 28 Abs 1 KSchG ergibt sich, dass der Unterlassungsbefehl nicht mehr nur gegen die Einbeziehung der beanstandeten Klauseln in künftige Verträge gerichtet sei, sondern auch dagegen, dass sich der Unternehmer bei der Abwicklung bestehender Verträge auf die Klausel beruft. In laufenden Kreditverhältnissen sei die korrekte Abwicklung maßgeblich davon beeinflusst, dass die dieser Abwicklung zugrundegelegten Ziffern (aushaftendes Kapital; Ausgangszinssatz) richtig sind. Daher sei das Unterlassen einer Richtigstellung - von sich aus, auch ohne Aufforderung durch den Kreditnehmer - ein "Berufen" auf eine gesetzwidrige Klausel.

Die ordentliche Revision wurde zugelassen und wird wohl auch ergriffen werden.

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