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Urteil: Zinsenstreit - HG Wien folgt OGH und schießt übers Ziel

Das HG Wien folgt dem OGH in der Frage der kurzen Verjährungsfrist für Bereicherungsansprüche und unterstellt dem OGH - ohne eigene Begründung - die Gleichbehandlung von Schadenersatzansprüchen.

Das seitenlange Zitieren von früheren Entscheidungen scheint in Mode zu kommen und der eigenständigen Argumentation den Rang abzulaufen: Nachdem sich bereits der OGH in 2 Ob 106/03g ( VRInfo 9/2003, KRES 10/149) dieser Methode bediente, zog nun das HG Wien als Berufungsinstanz in einem Musterprozess der AK gegen die BAWAG nach und zitierte die Ausführungen des OGH zur Begründung der Analogie im Verjährungsrecht ( VRInfo 9/2003, KRES 1d/49) - der Anspruch auf Rückforderung von zuviel bezahlten Zinsen verjähre in drei Jahren - über 8 Seiten lang. Der Senat des HG Wien schließt sich sodann den zitierten Ausführungen des OGH an.

Das HG Wien geht weiters davon aus, dass Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche wohl miteinander konkurrieren könnten. Da aber auch im Verfahren 4 Ob 73/03v der Anspruch der Kläger auf Schadenersatz gestützt worden wäre, kam das HG Wien zum einfachen aber weitreichenden Schluss: "Die oben dargestellten Ausführungen des OGH zur Verjährungsfrage im Verfahren 4 Ob 73/03v ( zum Thema Bereicherung) umfassen daher auch auf Schadenersatz gegründete Rückforderungsansprüche." Damit wird vom HG Wien - ohne jede eigene Begründung und ausschließlich durch Interpretation der Entscheidung des OGH - das Schadenersatzrecht auf den Kopf gestellt: Gemäß § 1489 ABGB beginnt die Verjährung - von Lehre und Rsp völlig unbestritten - mit der Kenntnis von Schaden und Schädiger. Warum dieser Grundsatz bei Zinsrückforderungen nicht gelten sollte, bleibt nicht nachvollziehbar.

Im übrigen - so das HG Wien - habe die Bank eine vertretbare Rechtsansicht vertreten, wenn sie die vereinbarten Zinsanpassungsklauseln als gesetzesgemäß angesehen hat. Schließlich hätten ja auch Untergerichte (deren Entscheidungen der OGH ausdrücklich ablehnt) die Zulässigkeit ähnlicher Klauseln angenommen. Das HG Wien übersieht dabei völlig, dass die Frage eines Verschuldens der Bank aus der Sicht bei Vertragsabschluss zu beurteilen ist. Damals waren es herrschende Lehre, das Preisanpassungsklauseln jedenfalls zweiseitig zu gestalten bzw. auszulegen seien und auch zur Frage der Bestimmtheit der Klauseln gab es bereits 1995 Judikatur des OLG Wien. "Ausreißer"-Entscheidungen von Untergerichten aus den Jahren seit 2001 sagen dazu daher herzlich wenig aus.

Das HG Wien will auch gar nicht zulassen, dass im Wege einer ordentlichen Revision der OGH gefragt werde, ob er vom HG Wien richtig verstanden wurde: Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Eine außerordentliche Revision wird selbstverständlich eingebracht werden.

HG Wien 19.9.2003, 1 R 310/03i
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KV: Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien

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