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Urteil: Unzulässige Bestätigungen im Bürgenformular der Santander Bank

Die Santander Consumer Bank GmbH verwendete gegenüber Interzedenten (zB Bürgen) ein Formblatt, mit dem formularmäßig bestätigt wurde, dass die Interzedenten umfassend über die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners informiert wurden und die Gefahr besteht, dass der Hauptschuldner den Kredit nicht (vollständig) zurückzahlen kann. Solche formelhaften, keinen Raum für eine Konkretisierung im Einzelfall lassenden Klauseln sind unzulässig, weil die Interzedenten hierdurch das Vorliegen von Tatsachen bestätigten, was später die Beweissituation über die konkrete Belehrung erschweren kann.

Der OGH bestätigte die Unzulässigkeit dieser Klauseln in einem vom VKI im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren.

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Santander Consumer Bank GmbH geklagt. Die Bank verwendete gegenüber Interzedenten ein Formblatt mit der Überschrift "Aufklärung des Mitschuldners/Bürgen gem. § 25c KSchG", in dem es unter anderem heißt:
"Mit Unterfertigung dieses Aufklärungsformulars bestätigen Sie, über nachstehende Punkte ausdrücklich und abschließend informiert worden zu sein:
[...]
3. Mit Ihnen wurden folgende Unterlagen betreffend der wirtschaftlichen Lage des oben genannten Kreditnehmers durchgegangen sowie nachstehende wirtschaftlich relevanten Umstände erörtert: Gehaltszettel, bestehende Verbindlichkeiten, wiederkehrende Zahlungen (zB: Wohnkosten, Gas, Strom, Kosten für Fahrzeuge, Unterhaltsverpflichtungen, Kreditraten, Leasingraten, Telefon, Lebensmittel, Kleidungs- und Hygieneartikel). Somit ist Ihnen die wirtschaftliche Lage von [Name des jeweiligen Kreditnehmers] umfassend zur Kenntnis gebracht worden
." [Klausel 1]
„4. Auf Grund der eben dargestellten wirtschaftlichen Lage des Kreditnehmers gewährt die Bank die Finanzierung lediglich unter der Bedingung, dass Sie als Mitschuldner/Bürge und Zahler der Finanzierung beitreten, da die Gefahr besteht, dass die Finanzierung vom oben genannten Kreditnehmer nicht oder nicht vollständig zurückgezahlt werden kann.“ [Klausel 2]

Nach § 6 Abs 1 Z 11 KSchG sind für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen iSd § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen ihm eine Beweislast auferlegt wird, die ihn von Gesetzes wegen nicht trifft.

Zu Klausel 1:
Mit Klausel 1 bestätigt der Interzedent, dass er von der Beklagten umfassend über die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers aufgeklärt wurde. Eine solche Tatsachenbestätigung ist eine widerlegbare Erklärung des Verbrauchers über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Tatsache. Solche Wissenserklärungen haben bloß deklarative Wirkung und sind widerlegbar, dienen aber als Beweismittel und haben dabei typischerweise eine Umkehr der Beweislast zur Folge.

Eine Tatsachenbestätigung, die in einem Vertragsformular zum Abschluss eines Schuldverhältnisses enthalten ist, unterliegt unter bestimmten Voraussetzungen der Klauselkontrolle nach § 28 Abs 1 KSchG. Nichts anderes kann aber für eine vorformulierte Tatsachenbestätigung in einem Formular gelten, die vom Mitschuldner zwar getrennt vom Vertrag, aber jedenfalls zu unterzeichnen ist. Im Ergebnis macht es keinen Unterschied, ob der Verbraucher regelungstechnisch von der Durchsetzung seiner Rechte durch eine vorformulierte Bestätigung in einem Vertragswerk oder durch eine solche Bestätigung in einem Formular, das zusammen mit dem Vertrag zu unterfertigen ist, abgehalten wird.

Erschwert eine Tatsachenbestätigung die Rechtsdurchsetzung des Verbrauchers, indem sie ihn mit einem Beweis belastet, den er sonst nicht erbringen müsste, ist die Klausel nach § 6 Abs 1 Z 11 KSchG nichtig.

Diese Bestimmung ist analog anzuwenden, wenn zwar keine formelle Beweislastvereinbarung getroffen wird, der Konsument aber eine Wissenserklärung abgibt, die zumindest im Ergebnis den Wirkungen einer entsprechenden Vereinbarung nahekommen kann. Immer ist aber zu fordern, dass durch eine in AGB enthaltene Tatsachenbestätigung (bzw eine - wie hier - in Ergänzung zum Vertrag über die Interzession zu unterfertigende formularmäßige Tatsachenbestätigung) eine Erschwerung der Beweissituation für den Konsumenten denkbar ist.

Klausel 1 dient dem beklagten Kreditunternehmen zum Nachweis, dass es seiner sich aus § 25c KSchG ergebenden Aufklärungsobliegenheit nachgekommen ist. Durch die Klausel droht eine Erschwerung der Rechtsverfolgung für den Verbraucher, weil nicht auszuschließen ist, dass die - keinen Raum für eine Konkretisierung im Einzelfall lassende, formelhaft abverlangte - Wissenserklärung im Individualprozess zum Nachteil des Verbrauchers verwertet wird, wodurch dieser in die Situation versetzt wird, den Gegenbeweis antreten zu müssen. Die Klausel kann nicht als bloße, nur Beweiszwecken dienende Wissenserklärung verstanden werden. Es liegt vielmehr eine unzulässige beweislastverschiebende Tatsachenbestätigung vor.

Zu Klausel 2:
In der - formularmäßig und unabhängig von der tatsächlichen finanziellen Situation des Hauptschuldners - Klausel wird stets die aktuelle Gefahr eines Zahlungsausfalls behauptet, womit sie in Wahrheit keinen brauchbaren Informationswert besitzt.

Eine vergleichbare - sogar weniger massive - Klausel wurde in 4 Ob 221/06t (K 40) als unzulässig iSd § 6 Abs 1 Z 11 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB beurteilt, weil derartige Klauseln darauf abzielten, die Erfüllung der der beklagten Bank auferlegten Informationspflicht zu fingieren. Sie verschafft der Beklagten im Fall einer späteren Inanspruchnahme des Solidarschuldners eine für sie ungleich günstigere Beweislage, weil sie dann geltend machen könnte, sie habe den Schuldner ausreichend gewarnt und dieser habe dennoch die Haftung auch für den Fall übernommen, dass der Kreditnehmer seine Verpflichtungen nicht oder nicht vollständig erfüllen werde.

OGH 28.4.2020, 1 Ob 57/20v
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

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