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Urteil: Risikoausschluss in Unfallversicherung

In dieser Entscheidung geht es um die Frage, wie lange, konkret bei einem Flug, der Risikoausschluss in der Unfallversicherung, verwirklicht ist, wodurch die Unfallversicherung keine Deckungspflicht hat.

Der Kläger geriet bei einem Gleitschirmflug in Turbulenzen. Bei seiner (Not-)Landung landete er unverletzt auf einer ca 40m hohen Tanne. Weil er Angst hatte, dass ein Rettungsdienst mit dem Hubschrauber durch den Luftwirbel den Gleitschirm aus der Tanne herausreißen würde, kletterte er die Tanne nach unten. Vom Wipfel aus konnte der Kläger nicht erkennen, dass die Tanne in ihrem untersten Bereich keine Äste aufwies. Er rutschte daher die letzten fünf bis sechs Meter den Stamm entlang hinunter, und verletzte sich. Er klagte seine Unfallversicherung auf eine Invaliditätsentschädigung.
 
Laut den dem Vertrag zugrunde gelegten Allgemeinen Bedingungen für den Premium-Unfallschutz (AUVB 2006) besteht "kein Versicherungsschutz besteht für Unfälle, der versicherten Person als Luftfahrzeugführer (auch Luftsportgeräteführer) soweit sie nach Österreichischem Recht dafür eine Erlaubnis benötigt sowie als sonstiges Besatzungsmitglied eines Luftfahrzeuges und bei der Benützung von Raumfahrzeugen." (Art.1.1.1.).

Die Klage wurde abgewiesen:

Die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren. In allen Fällen ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen. Als Ausnahmetatbestände dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert.

Ein Gleitschirm ist ein (Zivil-)Luftfahrzeug iSd § 11 Abs 1 LuftfahrtG. Der Kläger war daher bei der Verwendung seines Gleitschirms Luftfahrzeugführer (Luftsportgeräteführer) im Sinn des Abschnitts K Z 1.1. der AUVB 2006. Der Zweck des (sekundären) Risikoausschlusses nach Abschnitt K Z 1.1. besteht für jeden durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer darin, den Versicherungsschutz für Personen dann auszuschließen, wenn diese über die für einen bloßen Fluggast bestehenden allgemeinen Risiken des Luftverkehrs hinaus noch berufsbedingt oder freiwillig im Zusammenhang mit dem Luftsport zusätzlichen Gefahren ausgesetzt sind.

Luftfahrzeugführer ist man vom Start bis zur folgenden Landung. Demnach gehört auch der Vorgang des Verlassens des Luftfahrzeugs noch zu dessen Verwendung, können doch auch damit - wie der zu beurteilende Unfall anschaulich zeigt - ganz spezifische Gefahren verbunden sein. Der Flug und damit die Funktion eines Luftfahrzeugführers kann erst dann als beendet angesehen werden, wenn das Luftfahrzeug so verlassen worden ist, dass auch die unmittelbar mit dem Luftverkehr verbundenen Gefahren beendet sind. Daher führt nicht schon eine Notlandung, sondern, erst das "Erreichen festen Bodens" zur Beendigung der flugtypischen Gefahren und damit zum zeitlichen Ende des Risikoausschlusses nach Abschnitt K Z 1.1..

Die Ansicht des Klägers, es habe sich nur die nicht flugtypische Gefahr des "normalen" Baumkletterers verwirklicht, ist unzutreffend. Bei verständiger Betrachtung ergibt sich vielmehr, dass der Kläger ohne die flugbedingte Notlandung weder den Baumwipfel erreicht hätte noch in die Verlegenheit gekommen wäre, einen ca 5 m langen Abstieg (ein Abrutschen) über einen dort astlosen Baumstamm zu wagen.

OGH 31.8.2016, 7 Ob 120/16x

Das Urteil im Volltext.

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