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Urteil: OLG Wien: Gesetzwidrige Klauseln in der Unfallversicherung

Das OLG Wien beurteilt zwei Klausels aus der Unfallversicherung als gesetzwidrig. Eine Klausel zur Kostentragungspflicht hinsichtlich der Kosten der Ärztekommission weicht trotz Kostenbegrenzung gröblich benachteiliegend von den günstigeren Regelungen der ZPO ab.

Die Obliegenheit der Anspruchsberechtigten, eine Obduktion vornehmen zu lassen, ist unklar abgefasst. Zu zwei weiteren diskriminierenden Klauseln hatte es schon 2012 einen Teilvergleich gegeben.

Der VKI führt - im Auftrag des Sozialministeriums - eine Verbandsklage gegen die Zürich Versicherungs AG zu Vertragsklauseln in der Unfallversicherung. Beanstandet wurden ursprünglich 4 Klauseln. Zu zwei Klauseln hatte sich die Zürich Versicherung schon in einem gerichtlichen Vergleich zur Unterlassung verpflichtet. Zu den übrigen beiden Klauseln liegt nunmehr die Entscheidung des OLG Wien vor.

1. Klausel: Die Kosten der Ärztekommission werden von ihr festgesetzt und sind im Verhältnis des Obsiegens der beiden Parteien zu tragen. Der Anteil der Kosten, den der Anspruchsberechtigte zu tragen hat, ist mit 1 % der für Tod und Invalidität zusammen versicherten Summe, höchstens jedoch mit 25 % des strittigen Betrages begrenzt (Art. 16.7. der AUVB 2008).

Das OLG Wien verweist zunächst darauf, dass das Schiedsverfahren dem Versicherungsnehmer vom Versicherer aufgezwungen werden kann, und zwar mit den sich aus der Klausel ergebenden Kostenfolgen. Die Kostenfolgen sind bei näherer Betrachtung im Verhältnis zu den Bestimmungen der ZPO nachteilig: So können im gerichtlichen Verfahren die Kosten der Sachverständigen vom Gericht geprüft werden, es gibt die Möglichkeit der Verfahrenshilfe und eine Warnpflicht des Sachverständigen.

Überdies kommt es durch § 43 Abs 2 2. Fall ZPO im gerichtlichen Verfahren zu einer Abfederung des Kostenrisikos, weil den Kläger bis zu einer Überklagung um 100 % keine nachteiligen Kostenfolgen treffen. Die Klausel sieht zwar eine Beschränkung der Kostenersatzpflicht mit einer Deckelung von 25 % des strittigen Betrages vor. Dies bedeutet jedoch, dass der Versicherungsnehmer selbst dann 25 % der Kosten der Ärztekommissiontragen muss, wenn er nach der Ärztekommiossion zu mehr als 50 % erfolgreich ist. Dies stellt einen deutlichen Nachteil zur Regelung des § 43 ZPO dar  und macht die Klausel gröblich benachteiliegend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

2. Klausel: Als Obliegenheiten, deren Verletzung unserer Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG bewirkt, werden vereinbart: … - Uns ist das Recht einzuräumen, die Leiche durch Ärzte obduzieren und nötigenfalls exhumieren zu lassen (Art. 21.2.3. der AUVB 2008).

Für das OLG Wien verstößt die Klausel in mehrfacher Hinsicht gegen die Vorgaben des Transparenzgebotes des § 6 Abs 3 KSchG. Zunächst lässt der bloße Verweis auf § 6 VersVG nicht erkennen, dass dort Ausnahmen von der Leistungsfreiheit des Versicherers festgelegt sind.

Aber auch die Obliegenheit, das Recht zur Obduktion oder Exhumierung einzuräumen, ist unklar. Grundsätzlich ist nämlich der Wille des Vestorbenen zu respektieren, der zu Lebzeiten selbst über das Schicksal seines Leichnams entscheidet. Eine bestimmte Form ist dafür nicht wesentlich. Nur soweit kein erkennbarer Wille des Verstorbenen vorliegt, haben die nächsten Angehörigen nach § 25 KaKuG das Recht, über den Leichnam zu bestimmen.

Die Klausel betrifft nur die Anspruchsberechtigten. Diese haben eine Entscheidungsbefugnis allerdings nur dann, wenn der Wille des Verstorbenen nicht mehr ermittelt werden kann. Das ist aus der Klausel aber nicht erkennbar. Sollte der Anspruchsberechtigte überdies kein naher Angehöriger sein, kommt eine Verfügungsberechtigugn über den Leichnam unter keinen Umständen in Frage. Für diese Personen ist eien Erfüllung der Obliegenehit rechtlich somit gar nicht möglich.

Die Klausel unterscheidet allerdings nicht zwischen Personen, die rechtlich in der Lage sind, die in der Klausel vorgesehene Handlungs-Obliegenheit zu erfüllen und jenen, denen dies rechtlich gar nicht möglich ist, sie ist daher auch aus diesem Grund intransparent.

In einem Teilvergleich hatte sich die Zürich Versicherung überdies in erster Instanz zur Unterlassung folgender beider - diskriminierenden - Klauseln verpflichtet:

  • Unversicherbar und jedenfalls nicht versichert sind Personen, die dauernd vollständig arbeitsunfähig oder von schwerem Nervenleiden befallen sind, sowie Geisteskranke. …
    Zu den schweren Nervenleiden zählen insbesondere Schäden, die eine starke körperliche Beeinträchtigung der täglichen Verrichtung des Lebens und der Arbeitsfähigkeit nach sich ziehen.  ….
    Zu den Geisteskrankheiten zählen insbesondere manisch-depressive Psychosen, schizophrene und paranoide Störungen, Morbus Alzheimer und andere Demenzformen.
  • Hinsichtlich einer bei Vertragsabschluss unversicherbaren Person kommt ein Versicherungsvertrag nicht zustand

Die Klauseln verstoßen aus Sicht des VKI vor allem gegen das Diskriminierungsverbot des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes (BGStG). So werden in der 1. Klausel zahlreiche behinderte Personen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, und zwar auch dann, wenn die Person arbeitsfähig und auch tatsächlich erwerbstätig ist. Nach der 2. Klausel soll ein mit einer unversicherbaren Person abgeschlossener Vertrag  auch dann nicht zustande kommen, wenn er nach allgemeinen Grundsätzen wirksam zustande gekommen und der Versicherungsnehmer auch nicht dauerhaft arbeitsunfähig ist, und zwar auch dann, wenn dem Versicherungsnehmer keine Anzeigepflichtverletzung vorwerfbar ist.

Das Urteil zu den beiden eingangs angeführten Klauseln ist nicht rechtskräftig.

OLG Wien 28.2.2014, 2 R 212/13f
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Klagsvertreter: RA Dr. Stefan Langer

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