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Urteil: OLG Wien: Beweislast für die Arglist des VN liegt beim Versicherer

Für den Einwand der Arglist des Versicherungsnehmers bei Vertragsabschluss trifft den Versicherer die Beweislast. Dieser muss also bei falscher Beantwortung von Gesundheitsfragen die bewusste Täuschung durch den Versicherungsnehmer, die Kenntnis des Versicherungsnehmers von den Gefahrenumständen, den Irrtum und dessen Relevanz für die Versicherung beweisen.

Ein Konsument schloss im Juni 2008 im Zusammenhang mit einem Kredit eine Ablebensversicherung über EUR 50.000,-- bei einer deutschen Lebensversicherung ab. Bei der Antragstellung gab er nur an 20 Zigaretten pro Tag zu rauchen und verneinte die anderen Gesundheitsfragen, insbesondere auch jene zu Krankenhausaufenthalten und Beschwerden zu Atmungsorgannen und Alkoholkonsum. Die Versicherung verzichtete auf ihr Rücktrittsrecht wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach den §§ 16 bis 22 VersVG. Der Konsument verstarb Anfang 2011 an einem durch mehrere Lungenentzündungen verursachten Herzinfarkt.

Die Versicherung lehnte eine Leistung ab und erklärte die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen Arglist. Der Konsument habe durch Verschweigen einer stationären Spitalsbehandlung im Jahr 2007 erheblich gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht verstoßen. Die Versicherung hätte bei Kenntnis der verschwiegenen Erkrankungen bzw. Behandlungen den Antrag nicht angenommen.

Im Patientenbrief des Krankenhauses war festgehalten, dass der Konsument damals 30 bis 40 Zigaretten pro Tag sowie bis zu einem Doppler Wein plus vier bis fünf Flaschen Bier pro Tag konsumierte, es war außerdem vermerkt, dass eine Nikotin- und Alkoholabstinenz als dringend erforderlich erachtet werde. Im zeitlichen Umfeld der Antragstellung waren beim Konsumenten allerdings keine gesundheitlichen Beschwerden feststellbar, ebenso wenig eine regelmäßige Einnahme von Medikamenten oder eine laufende ärztliche Behandlung.

Der VKI unterstützte die Witwe des verstorbenen Konsumenten im Auftrag des Sozialministeriums bei der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche gegen die Versicherung, da ein arglistiges Verhalten - wie von der Versicherung vorgeworfen - fraglich war und die Versicherugn zudem auch vertraglich auf die Anfechtung wegen Arglist verzichtet hatte.

Das OLG Wien verweist zunächst darauf, dass auf den gegenständlichen Fall österreichisches Recht anwendbar ist. Für den Einwand der Arglist des Versicherungsnehmers trifft den Versicherer die Beweislast. Der Versicherer muss also die Täuschung durch den Versicherungsnehmer, die Kenntnis des Versicherungsnehmers von den Gefahrenumständen, den Irrtum und dessen Relvanz für die Versicherung beweisen, weiters auch, dass die Täuschung bewusst erfolgte.

Die Versicherung konnte aber eben nicht nachweisen, dass der Konsument auf die Willensbildung des Versicherers Einfluss nehmen wollte und sich darüber bewusst war, dass die Versicherung den Vertrag ansonsten nicht angenommen hätte.

Dabei ist wesentlich, dass im Verfahren nicht festgestellt werden konnte, ob und inwiefern der Konsument seitens der Bankangestellten vor dem bzw. beim Ausfüllen des Versicherungsantrages über die Bedeutung der Gesundheitsfragen aufgeklärt wurde. Nicht festgestellt werden konnte weiters, dass der Konsument die an ihn gestellten Krankheits- und Gesundheitsfragen tatsächlich verstanden hat und sich der Tragweite der Beantwortung der Fragen bewusst war; ebensowenig, dass der Konsument bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen befürchtet hat, die Versicherung könnte im Fall der positiven Beantwortung der Fragen den Versicherungsvertrag mit ihm nicht oder nur zu ungünstigeren Bedingungen abschließen.

Damit kann dahingestellt bleiben, ob sich die Versicherung auf Grund des vertraglich vereinbarten Verzichtes auch auf das Recht der Anfechtung nach § 22 VersVG überhaupt noch auf Arglist berufen kann.

Die Versicherung hat daher die Versicherungsleistung zu erbringen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

OLG Wien 29.5.2015, 5 R 40/15m
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Klagevertreter: Dr. Walter Reichholf, RA in Wien

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