Zum Inhalt

Urteil: OGH zur sogenannten Verbraucherpreis-Indexklausel in Bankbedingungen: Automatische Entgelterhöhungen bei Girokonten gesetzwidrig.

Der Streit um die umstrittene Indexklausel, welche in Bankbedingungen die einseitige Anpassung der Kontoentgelte an die Veränderung des Verbraucherpreisindex vorsieht, findet nunmehr ein Ende: Der Oberste Gerichtshof bestätigt die Rechtsansicht des VKI und hält derartige Klauseln seit Inkrafttreten des Zahlungsdienstegesetzes (ZaDiG) im November 2009 für unzulässig.

Der VKI hatte im Auftrag  des BMASK das Vorgehen der Bawag PSK inkriminiert: Im August 2009 verständigte  die Bank ihre Kunden per Kontoauszug darüber, dass die Entgelte für Girokonten  mit 1.10.2009 im Ausmaß der Erhöhung des Verbraucherpreisindex (VPI) im Jahr  2008 um 3,2% erhöht werden.

Die Bank berief sich dabei auf die in Z 45 Abs 2  ihrer AGB (Fassung 2009) enthaltene Indexklausel:

"Bei Rechtsgeschäften mit Verbrauchern wird das  Kreditinstitut Entgelte für Dauerleistungen (ausgenommen Zinsen) einmal  jährlich am 1.Juli, erstmals an jenem 1. Juli, der dem Abschluss des Vertrages  folgt, in dem prozentuellen Ausmaß senken oder erhöhen, das der Veränderung des  von der Statistik Austria veröffentlichten Verbraucherpreisindex 2000 (VPI)  oder des an seine Stelle tretenden Index entspricht. Diese Veränderung wird  gemessen am Durchschnitt der Indexzahlen für das letzte Kalenderjahr. Sofern  noch nie eine Anpassung erfolgt ist, ist als Ausgangsbasis der Durchschnitt der  Indexzahlen für das vorletzte Kalenderjahr vor dem Vertragsabschluss maßgeblich.  Das sich auf Grund der Senkung oder Erhöhung errechnete Jahresentgelt wird  kaufmännisch gerundet auf zehn Cent. Ist das Kreditinstitut zur  Entgeltserhöhung berechtigt, führt diese aber nicht durch, geht dadurch das  Recht zur Anpassung des Entgelts für die Zukunft nicht verloren. Unterlassene  Entgeltserhöhungen können daher bei der Anpassung in den Folgejahren  berücksichtigt werden. Das Kreditinstitut ist in diesem Fall berechtigt, bei  der nächsten Anpassung des Entgeltes als Ausgangsbasis für die Anpassung des  Entgeltes den Index-Durchschnitt heranzuziehen, der bei der letzten tatsächlich  erfolgten Anpassung mit der damaligen Ausgangsbasis verglichen worden ist; bei  der erstmaligen Anpassung ist der Durchschnittswert für das vorletzte  Kalenderjahr vor dem Vertragsabschluss als Ausgangsbasis maßgeblich."

Das Erstgericht hatte  das Klagebegehren abgewiesen, das Berufungsgericht gab dem Begehren hingegen  statt.

Der OGH bestätigte nun die Entscheidung des Berufungsgerichts: Bei der  hier strittigen Frage, ob vom Ausnahmetatbestand des § 29 Abs 2 ZaDiG  ausschließlich die Anpassung von Zinssätzen und Wechselkursen, oder ganz  allgemein an den VPI geknüpfte Entgelterhöhungen erfasst seien, folgte der OGH  der Argumentation Haghofers (Kundenschutz im neuen ZahlungsdiensteG, ecolex  2009, 747). Demnach lässt § 29 Abs 2 Satz 1 ZaDiG nur mehr einseitige  Änderungen der Wechselkurse und Zinssätze aufgrund einer im Rahmenvertrag  enthaltenen (und den Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG entsprechenden)  Entgeltänderungsklausel zu. In allen anderen Fällen einer Entgeltänderung muss  hingegen die Vorgehensweise des § 29 Abs 1 ZaDiG eingehalten werden, also  insbesondere die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des Kunden  eingeholt werden.

Wenn auch die  Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage davon ausgehen, dass die Praxis  einer vertraglichen Bindung dieser Entgelte an den VPI auch weiterhin zulässig  bleibe, findet sich diese subjektive Absicht des Gesetzgebers nicht im Wortlaut  des Gesetzes; und stehe außerdem - so der OGH - im Widerspruch zu den Vorgaben  des Art 44 der (europäischen) Zahlungsdienste-Richtlinie. Auch für eine - von  der Beklagten behauptete - planwidrigen Lücke - gebe es keine Anhaltspunkte. Es  bestehe auch kein Zweifel, dass die österreichische Umsetzung insoweit der  Richtlinienbestimmung entspreche.

Die Klausel widerspricht  daher dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des - am 1.11. 2009 in Kraft  getretenen - § 29 ZaDiG.

OGH 06.07.2011, 3 Ob  107/11y
Volltextservice
Klagevertreter: Dr.  Stefan Langer, RA in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht abgelehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Unzulässige Klausel zum Pensionswahlrecht

Der VKI unterstützte – im Auftrag des BMSGPK – erfolgreich einen Konsumenten, der bei der Generali Versicherungs AG eine Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen hatte.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Zum Seitenanfang