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Urteil: OGH unterscheidet Beginn der Verjährung von Zins-Rückforderungen

In einem Verfahren eines rechtsschutzversicherten Kreditnehmers gegen eine Bank hat der Senat 6 des OGH eine überraschend differenzierte Entscheidung gefällt. Der Kläger machte die Rückforderung von Zinsen pro bezahlter "Zinsenpauschalrate" geltend. Statt sich einfach auf die Entscheidung 4 Ob 73/03v zu berufen und die Forderungen als verjährt anzusehen, setzte sich der Senat mit dem Wesen der bezahlten Raten auseinander und ging im Effekt davon aus, dass eine Bereicherung der Bank erst mit der "Überzahlung" (hier der vorzeitigen Rückzahlung) eingetreten sei. Auf diese musste er aber nicht eingehen, weil sich der Kläger genau darauf nicht gestützt hatte. Die Klage wurde daher rechtskräftig abgewiesen.

Eine Bank gewährte einem Konsumenten im Juni 1991 einen Kredit über € 68.312,46 (ATS 940.000). Bis Ende 1992 sollte gar keine Rückzahlung geleistet werden. Danach sollten von Jänner 1993 bis Dezember 1998 nur Zinsen und erst ab Jänner 1999 Kapital- und Zinsenraten (Annuitäten) gezahlt werden. Die (im Vertrag so genannten) ""Zinsenpauschalraten"" betrugen ab Jänner 1993 bis Dezember 1995 € 512,34 (ATS 7.050,--), ab Jänner 1996 bis Dezember 1998 € 580,66 (ATS 7.990,--) und von Jänner 1999 bis Dezember 2001 € 648,97 (ATS 8.930,--). Die "Zinsenpauschalraten" waren so gewählt, dass alle bis Ende 2001 anfallenden Zinsen bis zu diesem Zeitpunkt bezahlt wurden. Ab Jänner 2002 waren dann 192 Kapital- und Zinsenraten (=Annuitäten) zu je € 689,96 (ATS 9.494,--) zu bezahlen.

Die Zinsanpassungsklausel lautete: "Wir sind berechtigt, im Fall der Erhöhung der Bankrate der Österreichischen Nationalbank oder bei einer allgemeinen Erhöhung der Refinanzierungskosten sowie bei einer generellen Steigerung der Personal- und Sachkosten Kreditzinsen, Kreditprovision und Verzugszinsen in einem dieser Steigerung entsprechenden Ausmaß für den zu diese Zeitpunkt noch offenen Schuldbetrag zu erhöhen."

Der Kreditnehmer bezahlte die vereinbarten Raten. Im April 1997 wurde die Zinsenpauschalrate auf
€ 537,78 (ATS 7.400,--) gesenkt. Im Mai 1997 wurde der gesamte aushaftende Saldo vom Kreditnehmer zurückbezahlt.

Der Kreditnehmer machte mit der im Juli 2001 beim Gericht eingelangten Klage einen Zinsschaden von € 9.450,83 geltend und brachte vor, dass der Bereicherungsanspruch wegen zu viel bezahlter Zinsen sukzessive durch Bezahlung der einzelnen überhöhten "Zinsenpauschalraten" zwischen 1993 und 1997 und nicht auf einmal mit der vollständigen Rückzahlung im Jahr 1997 entstanden wäre.

Erst- und Zweitgericht wiesen die Klage des Kreditnehmers ab. Der OGH wies die Revision des Kreditnehmer zurück.

Der OGH hielt zunächst fest, dass es offen bleiben kann, ob die Zinsanpassungsklausel mangels ausreichender Bestimmtheit im Sinn des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (in der Fassung vor der KSchG Novelle 1997) ungültig oder ob sie als gröblich benachteiligend und sittenwidrig zu betrachten ist, weil die Bank nicht auch die Verpflichtung zur Absenkung des Zinssatzes bei sinkendem Zinsniveau und Verbesserung der Refinanzierungskosten übernommen hat. Ausgehend von einer Unwirksamkeit der Klausel hätte dies allerdings zu einer Teilnichtigkeit des Kreditvertrages ex tunc geführt.

Unabhängig von dieser Frage habe der Kreditnehmer nämlich nicht zu viel an Zinsen bezahlt. Den vertraglichen Abmachungen entsprechend wurden vom Kreditnehmer mit den Zinsenraten von Jänner 1993 bis April 1997 nämlich auch jene Zinsen beglichen, welche bis zum Beginn der Ratenzahlungen (also zwischen Juni 1991 und Dezember 1992) aufgelaufen waren. Da zwischen Juni 1991 und Dezember 1992 insgesamt € 9.990,70 an Zinsen aufgelaufen waren und mit der Klage nur € 9.450,83 an Zinsschaden geltend gemacht wurden, hätte der Kreditnehmer in dem Zeitraum, in dem er seiner Meinung nach zu viel an Zinsen bezahlt hätte, tatsächlich nur geschuldete Zinsen bezahlt. Aus diesem Grund wurde vom OGH auch die Frage der Verjährung offen gelassen, dies allerdings mit Hinweis auf die Entscheidung 4 Ob 73/03v.

Die vorliegende Entscheidung ist für die Verjährungsproblematik bei Zinsrückforderungen wesentlich:

Im vorliegenden - eher untypischen - Kreditvertrag wurde vereinbart, dass zu bestimmten Zeitpunkten Zinsraten in vorher vereinbarter Höhe zu leisten sind. Der OGH geht nunmehr davon aus, dass eine erhöhte Zinsenzahlung (welche sich aus der Weiterzahlung einer überhöhten - weil nicht gesenkten - Rate ergibt) jedenfalls auf alle angelaufenen Zinsen anzurechnen wäre und dass daher schon aus diesem Grund eine Zinsüberzahlung gar nicht in Frage kommen kann. Umgelegt auf den - eher typischen - Kreditfall, bei dem die Zahlung von Annuitäten, also Raten mit Zinsen- und Kapitalanteil, vereinbart ist, muss dies bedeuten, dass auch dort jede Zinsüberzahlung auf alle bis dahin aufgelaufenen Zinsen aber auch auf die Kapitalschuld anzurechnen sind, weil die Rückzahlung sowohl von Kapital als auch von Zinsen nach dem Kreditvertrag geschuldet ist. Dies führt dazu, dass es im Normalfall eines "Annuitätenkredits" zu keiner Zinsüberzahlung kommen kann solange Zinsen oder Kapital (bei richtiger Zinsberechnung) noch offen sind und daher zu diesem Zeitpunkt auch kein Rückforderungsanspruch besteht und somit selbstverständlich auch nicht verjähren kann.

Diese Problematik war offenbar auch dem Senat 6 bewusst, da er die Verjährungsfrage bewusst ausgeklammert hat. Ansonsten wäre es naheliegend gewesen, das Klagebegehren unter Hinweis auf die Entscheidung 4 Ob 73/03v abzuweisen.

Zumindest soweit es vor der "Überzahlung" von einzelnen Raten zu einer vorzeitigen Rückzahlung des Kredites (wie hier der Fall) kommt, ist auch kein wiederkehrender Betrag, sondern der einmal zuviel bezahlte Betrag geltend zu machen. Damit fehlt es aber - zumindest für diese Fälle - auch an einer tauglichen Grundlage für eine Analogie.

Dass bei Annuitätendarlehen die auf Grund einer nichtigen Vertragsklausel zu viel berechneten Zinsen zur Tilgung von Kapital zu verwenden sind und es daher zur Anwendung der 30 jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB kommt, hat der BGH bereits 1990 festgehalten. Die vorliegende Entscheidung des OGH würde diesen Ausspruch des BGH - zumindest zum Verjährungsbeginn - auch für Österreich bestätigen (BGHZ 23.10.1990, 112/352).

Im übrigen muss auch festgehalten werden, dass durch die vorliegende Einschätzung des OGH eine Analogie zu § 27 Abs 3 MRG zur Frage der Verjährungsfrist ausscheidet. Die in § 27 Abs 3 MRG normierte Dreijahresfrist bezieht sich nämlich nur auf wiederholte, regelmäßig überhöhte Zahlungen. Diese liegen, bei einer entsprechenden vorzeitigen Rückzahlung nicht vor. Insofern widerspricht die Entscheidung auch der Entscheidung des OGH vom 24.6.2003, 4 Ob 73/03v, in welcher § 27 MRG noch als Analogiegrundlage herangezogen wurde. Allenfalls könnte man eine Analogie zu § 27 Abs 3 MRG in Bezug auf verbotene Einmalzahlungen (§ 27 Abs 1 MRG) ziehen. Hier beträgt die Verjährungsfrist aber 10 Jahre.

OGH 26.6.2003, 6 Ob 297/02y
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