Zum Inhalt

Urteil: OGH kippt "Nur-Malus-System" bei Generali-Kaskoversicherung

Das "Nur-Malus-System" der Generali Versicherung verstößt gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Versicherungsnehmer bekommen nach Verbandsklage des VKI - im Auftrag des BMSG - erhöhte Prämien zurück und sind neu einzustufen.

Die Generali Versicherung verwendete in ihren Kaskobedingungen für Vollkasko und Teilkasko folgende Klausel:

"Der Vertrauensbonus richtet sich nach der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aktuellen Bonusstufe Ihres Kfz-Haftpflichtvertrages. Dieser Bonusvorteil bleibt bei Schadenfreiheit auf Dauer des Versicherungsverhältnisses unverändert erhalten. Wird aufgrund eines Kaskoschadenereignisses eine Leistung mindestens in Höhe der Kaskojahresprämie incl. Vers.-Steuer erbracht, erfolgt per Schadendatum für die restliche Vertragslaufzeit eine Neufestsetzung des Vertrauensbonus (Umstufung in die nächsthöhere Kaskoprämienstufe, maximal aber in Stufe 3)."

Die Klausel hatte zur Folge, dass Konsumenten nach bestimmten Schadensfällen (Versicherungsleistung mindestens in Höhe einer Jahresprämie) gewissermaßen in den "Malus" umgestuft wurden. Durch weitere schadensfreie Jahre konnten Konsumenten - im Gegensatz zum "Bonus-Malus-System" in der Haftpflichtversicherung - ihre dadurch erworbene "Malus-Einstufung" aber nicht mehr verbessern, sie verblieben vielmehr in der "Malus-Stufe" und bezahlten dadurch laufend mehr Prämie als ursprünglich vereinbart.

Der VKI ging gegen diese Klausel - im Auftrag des BMSG - mit Verbandsklage vor. Bereits das HG Wien und das OLG Wien beurteilten die Klausel als unzulässig im Sinn des § 6 Abs1 Z 5 KSchG ( VR-Info 1/2004 und 6/2004 ).

Der OGH verweist im wesentlichen auf die Entscheidung des OLG Wien. Demnach muss nach den Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen für eine Entgelterhöhung auch eine Entgeltsenkung vorgesehen sein (Gebot der Zweiseitigkeit).

Für die vorliegende Klausel bedeutet dies, dass im Fall einer Schadensfreiheit eine Prämiensenkung vorgesehen sein müsste. Der Erbringung einer Schadensleistung steht nämlich spiegelbildlich gegenüber, dass in einem bestimmten Zeitraum keine Versicherungsleistung erbracht werden muss. Dass eine nach beiden Seiten wirkende "Prämiengleitklausel" versicherungsmathematisch berechenbar ist, wird durch die Existenz des "Bonus-Malus-Systems" in der Autohaftpflichtversicherung eindeutig bestätigt.

Gerade die im Vertrag vereinbarte Anfangsprämie bildet für Konsumenten die Vergleichsgrundlage bei ihrer Entscheidung, welche Kaskoversicherung abgeschlossen wird. Durch die Möglichkeit nachträglicher Preiserhöhungen - ohne Chance der "Rückkehr" zur Anfangsprämie - wird der Verbraucher gehindert, seine Interessen zu wahren.

Die Generali Versicherung darf auf Grund des Urteiles die angeführte Klausel nicht mehr verwenden und sich nicht mehr darauf berufen. Die Klausel entfällt - es gibt auch im Einzelfall keine geltungserhaltende Reduktion der Klausel (OGH 5.8.2003, 7 Ob 179/03d - VRInfo 1/2004 ).

Das Urteil hat für Versicherungsnehmer
folgende praktische Konsequenzen:

Wer ist betroffen?

Betroffen sind alle Versicherungsnehmer und Konsumenten, die in den letzten Jahren bei der Generali Versicherung eine Kaskoversicherung abgeschlossen haben, in der die angeführte oder eine sinngleiche Klausel enthalten ist.

( Seit Anwendung der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung 2003 (AKKB 2003) ist die vom OGH nun als gesetzwidrig beurteilte Klausel nicht mehr in den Bedingungen enthalten. )

Konsequenzen bei laufendem Vertrag:

Die Generali Versicherung muss bei der nächsten Prämienvorschreibung die Prämie richtig stellen, d.h. Prämienerhöhungen auf Grund von Schadensfällen in der Vergangenheit müssen zurückgenommen werden; bei zukünftigen Schadensfällen darf es zu keiner Änderung der Prämie kommen.

Die Generali Versicherung muss außerdem - jedenfalls auf Aufforderung durch den betroffenen Konsumenten - jene Beträge zurückzahlen, welche auf Grund von Prämienerhöhungen nach Schadensfällen in der Vergangenheit zuviel verrechnet wurden.

Das BMSG und der VKI haben an die Versicherung appelliert, diese Rückzahlungen (auch ohne Aufforderung im Einzelfall) von sich aus zu leisten. Die Versicherung hat - so kann man den Medien (APA 29.10.2004 / Wirtschaftsblatt 30.10.2004) entnehmen - dies auch öffentlich zugesagt.

Konsequenz bei bereits beendetem Vertrag:

Die Generali Versicherung muss auf Aufforderung durch den betroffenen Konsumenten jene Beträge zurückzahlen, welche auf Grund von Prämienerhöhungen nach Schadensfällen zuviel verrechnet wurden.

Aufforderung zur Rückzahlung

Wir empfehlen in jedem Fall, die Generali Versicherung unter Berufung auf das vorliegende Urteil des OGH
( Gratis-Download www.verbraucherrecht.at ) mit eingeschriebenem Brief aufzufordern, die zu viel bezahlten Prämien zurückzuzahlen. Sollte die Generali Versicherung nicht entsprechend reagieren, informieren Sie bitte den VKI - Bereich Recht (bneubauer@vki.or.at, Tel.: 01 58877 320, Fax: 01 58877 75).

Wann verjähren Rückforderungsansprüche?

Soweit Konsumenten zu viel Prämien gezahlt haben, können sie diese nach der Rechtsprechung des OGH innerhalb von 30 Jahren zurückfordern (vgl VR-Info 2/2004, OGH 10.9.2003, 7 Ob 191/03v). Die Versicherung kann somit nicht einwenden, dass ein Rückforderungsanspruch bereits verjährt wäre.

OGH 29.9.2004, 7 Ob 172/04a
Volltextservice
Klagevertreter: Dr. Stefan Langer und Dr. Anne Marie Kosesnik-Wehrle, RA in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht abgelehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Unzulässige Klausel zum Pensionswahlrecht

Der VKI unterstützte – im Auftrag des BMSGPK – erfolgreich einen Konsumenten, der bei der Generali Versicherungs AG eine Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen hatte.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Zum Seitenanfang