Zum Inhalt

Urteil OGH: Falsche Angaben zum Effektivzinssatz durch Santander Bank - Zinsreduktion für betroffene Verbraucher-Kreditnehmer

Der VKI führte - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - eine Unterlassungsklage gegen die Santander Consumer Bank, die sich gegen eine AGB-Klausel zur Kreditrestschuldversicherung in ihren Kreditverträgen richtete sowie gegen die Angabe eines Effektivzinssatzes ohne Berücksichtigung der Kosten und Prämien der Kreditrestschuldversicherung. Der OGH gab dem VKI nun vollinhaltlich Recht. Praktisch bedeutsame Konsequenz für die Verbraucher: Weil die Kosten für den effektiven Jahreszinssatz von Santander zu niedrig ausgewiesen wurden, reduziert sich die Ratenzahlungsverpflichtung.

Gegenstand des Verfahrens war folgende den Kreditverträgen der Santander Consumer Bank zugrunde liegende Klausel:

"Freiwillige Versicherung
Hat sich der Kreditnehmer zum Abschluss einer freiwilligen Versicherung zu gegenständlichem Kredit oder zur Besicherung des Kredites durch eine bereits bestehende Versicherung entschieden, so ist diese für die Dauer des Schuldverhältnisses aufrecht zu erhalten. Der Kreditnehmer hat die Vinkulierung des Versicherungsvertrags zugunsten der BANK beim Versicherer zu erwirken. Der Kreditnehmer tritt alle ihm aus den vorbeschriebenen Versicherungen zustehenden Rechte unwiderruflich an die BANK ab. Im Schadensfall ist die BANK berechtigt, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen und Entschädigungsquittungen auszustellen; sie ist ausschließlich berechtigt, die Zahlungen entgegenzunehmen. Der Kreditnehmer hat die Prämienzahlung direkt mit dem Versicherer zu regeln und der BANK über Verlangen die termingemäße Prämienzahlung auch durch Vorlage der Zahlungsbelege nachzuweisen. Die BANK ist berechtigt, auf Kosten des Kreditnehmers die Versicherungen aufrecht zu erhalten und die Bezahlung der Prämie samt allfälliger Kosten sofort bar zu verlangen oder mit verzinslicher Wirkung dem Kreditkonto anzulasten. Von jedem Schadensfall hat der Kreditnehmer dem Versicherer und der BANK umgehend Mitteilung zu machen."

In den Kreditverträgen mit Verbrauchern wurde ein effektiver Jahreszins angegeben, bei dessen Berechnung die Kosten einer Kreditrestschuldversicherung nicht als Teil der Gesamtkosten des Kredits berücksichtigt wurden.

Während das Berufungsgericht der auf §§ 28 und 28a KSchG gestützten Klage des VKI (auf Unterlassung der Verwendung der Klausel und der Angabe von zu niedrigen - weil die Versicherungskosten nicht berücksichtigenden - effektiven Jahreszinssätzen) nur teilweise Folge gab, sah der OGH das Begehren als berechtigt an:

Unzulässigkeit der Klausel (§ 28 KSchG)

1. Die Klausel muss demnach in ihrer Gesamtheit beurteilt werden und ist nicht - wie von der Beklagten geltend gemacht - in 6 einzelne und jeweils eigenständig zu beurteilende Klauseln zu teilen. Vielmehr fasst die Klausel Bestimmungen zusammen, die in ihrer Gesamtheit bewirken, dass die "freiwillige Versicherung" der Beklagten verpflichtend als Sicherungsmittel für ihre aushaftende Kreditforderung dient.

2. Selbst wenn - wie von der Beklagten vorgebracht - weder Abschluss noch Modalitäten des Kreditvertrags vom Abschluss der Versicherung abhängen sollten, wäre die Klausel im Verein mit der Überschrift der Klausel ("Freiwillige Versicherung") gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und überraschend iSd § 864a ABGB. Wird ein Versicherungsvertrag freiwillig abgeschlossen, dient er dem Schutz des Versicherungsnehmers selbst und nicht jenem des Gläubigers. Dann müsste es auch der Kreditnehmer in der Hand haben, ob er ihn abschließt, wie lange er ihn aufrecht erhält, ob und wie er Zahlung leistet und ob er ihn kündigt. Dass der Kreditnehmer der Beklagten eine Sicherheit für die Kreditrückzahlung geben muss, zu der er ohne Versicherungsvertrag gar nicht verpflichtet wäre, wäre gröblich benachteiligend. Allerdings zielt die Klausel von vornherein - entgegen der Überschrift - darauf ab, den VN zur Besicherung seiner Forderung aus dem Kreditvertrag zu zwingen.

3. Aus dem Text in seiner Gesamtheit ergibt sich allerdings, dass die Versicherung von vornherein nicht "freiwillig" ist, sondern als Sicherungsmittel dienen soll. Schon der Widerspruch zwischen Regelungsinhalt und Überschrift macht die Klausel objektiv ungewöhnlich, überraschend und benachteiligend, auch wenn eine Vinkulierung oder eine Verpfändung im Bankgeschäft für sich nicht ungewöhnlich sind. Er bewirkt ferner, dass der Verbraucher über seine Vertragsposition im Unklaren gelassen wird - Verstoß gegen das Transparenzgebot § 6 Abs 3 KSchG.

4. Keine Übertragbarkeit von Grundsätzen der Feuerversicherung, weil der Kreditgeber dort bereits durch eine Hypothek gesichert ist.

Versicherungskosten fallen unter die Gesamtkosten des Kredits iSd § 2 Abs 5 VKrG (§ 28a KSchG)

1. Den Gesamtkosten gem § 2 Abs 5 VKrG kommt eine Schlüsselfunktion im Verbraucherkreditrecht zu, um einer Preisverschleierung effektiv entgegen zu steuern. Daher ist entscheidend, dass die Kosten - unabhängig davon, an wen sie zu zahlen sind - wirtschaftlich vom Verbraucher zu tragen sind und dass sie dem Kreditgeber bekannt sind.

2. Die Beklagte weiß aufgrund der Vermittlung der Versicherung vor Vertragsabschluss, dass diese abgeschlossen und nach ihrer AGB-Klausel als Sicherheit dienen wird. Sie weiß daher auch, dass der Kreditnehmer für die Dauer des Kreditvertrags verpflichtend mit der Prämie der Versicherung belastet sein wird. Ob der Versicherungsvertrag ausdrücklich zur Bedingung für den Kreditvertrag wird oder sich der Versicherungsnehmer "nur" der AGB-Klausel unterwirft (und damit genauso zur Aufrechterhaltung des Vertrags verpflichtet ist), ist für den Verbraucher wirtschaftlich gleich.

Die Versicherungsprämien gehören daher zu den Gesamtkosten nach § 2 Abs 5 VKrG, wenn bei Kreditvertragsabschluss gleichzeitig ein Versicherungsvertrag geschlossen oder ein bestehender als Sicherheit gefordert wird und sich der Verbraucher als Kreditnehmer zur Aufrechterhaltung des Versicherungsvertrags für die Dauer des Kredits unter Vinkulierung und Verpfändung der Ansprüche aus diesem verpflichtet.

OGH 18.09.2013, 7 Ob 44/13s
Volltextservice
Klagsvertreter: RA Dr. Stefan Langer

Anmerkung:

1. Der effektive Jahreszins, der die Gesamtkosten des Kredits als "tatsächlichen Preis" ausdrückt, dient dem Verbraucher als zuverlässige Basis für einen (europaweiten) Vergleich verschiedener Kreditangebote. Um falsche Nachfrageentscheidungen der Verbraucher, die bei unrichtiger Angabe auf falscher Basis erfolgen, hintanzuhalten und die Regelung im VKrG effektiv zu sanktionieren, sieht § 9 Abs 5 Z 2 VKrG (seit DaKRÄG, Inkrafttreten am 11.6.2010) als Rechtsfolge zu niedrig ausgewiesener effektiver Jahreszinsen eine Vertragsanpassung vor. Demnach kommt es ex lege und ohne weitere Voraussetzungen (anders als bei §§ 871 ff ABGB daher auch ohne Kausalität) dazu, dass der Kreditgeber den zu niedrigen effektiven Jahreszins gegen sich gelten lassen muss (Ersatz des Erfüllungsinteresses).

2. Die Zahlungspflichten des Verbrauchers sind dabei mittels einer Neuberechnung des Sollzinssatzes soweit zu mindern, dass der unter Berücksichtigung der getroffenen vertraglichen Vereinbarung eigentlich zu niedrige effektive Jahreszins richtig wird. Die Berechnung des neuen Sollzinssatzes (nicht des effektiven Jahreszinses!) ist mithilfe der in Teil I Anh I enthaltenen Formel für den effektiven Jahreszins zu ermitteln. Die Ersparnis des Verbrauchers aus der Reduktion des Sollzinssatzes ist dabei aufgrund der unterschiedlichen Fälligkeit der nicht berücksichtigten Kreditkosten und jener der über die gesamte Kreditlaufzeit verteilten Sollzinsen betragsmäßig größer, wenn - wie im konkreten Fall zB bei Einmalprämie für die Versicherung - die nicht berücksichtigten Kreditkosten am Beginn des Kredits anfallen (und sofern der Verbraucher den Kredit nicht vorzeitig zurück zahlt).

3. Der Kreditgeber ist nach § 9 Abs 5 VKrG verpflichtet, dem Verbraucher die aufgrund der Neuberechnung des Sollzinssatzes tatsächlich geschuldete (niedrigere !) Kreditrate zu berechnen und bekannt zu geben. Bis dahin hat der Verbraucher das Recht zur Einbehaltung fälliger Raten. Hat der Verbraucher bereits - überhöhte - Raten bezahlt, steht ihm ferner ein vertraglicher (und mittels Leistungsklage durchsetzbarer) Anspruch auf eine richtige Kontoführung zu. Der Kreditgeber hat die überhöhten Zinsanteile der bereits bezahlten Raten diesfalls rückwirkend auf Kapital zu verrechnen, wodurch es für den Verbraucher - aufgrund der gegenüber dem ursprünglichen Tilgungsplan rascheren Kapitalrückzahlung - zu einer zusätzlichen Zinsersparnis kommt.

Vgl ausführlich zu § 9 Abs 5 Z 2 VKrG, dessen Verhältnis zum allgemeinen Irrtums- und Schadenersatzrecht sowie Berechnung und Rechtsdurchsetzung Haghofer, Rechtsfolgen der Angabe eines zu niedrigen effektiven Jahreszinses, in Blaschek/Reiffenstein (Hrsg), Konsumentenpolitisches Jahrbuch 2010/2011.

Zur Sammelaktion des VKI gegen die Santander Bank

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht ablehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Urteil zur vorzeitigen Kreditrückzahlung

Der VKI führt im Auftrag des Sozialministeriums ein Verfahren gegen die Unicredit Bank Austria AG. Es geht in dem Verfahren um die Frage, ob bei vorzeitiger Kreditrückzahlung auch die laufzeitunabhängigen Kosten anteilig zurückerstattet werden müssen und ob dies auch für die Rechtslage vor dem 1.1.2021 gilt. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien gab dem VKI Recht und bestätigte, dass auch nach der alten Rechtslage bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nicht nur die laufzeitabhängigen Kosten, sondern auch die laufzeitunabhängigen Kosten anteilig von der Bank zurückzuerstatten sind. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

VKI-Erfolg gegen Online-Broker DEGIRO

DEGIRO B.V. ist ein international tätiger Web-Trader mit Sitz in den Niederlanden, der auf „degiro.at“ eine Online-Trading-Plattform anbietet, über die Kundinnen und Kunden Wertpapiere erwerben können. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums DEGIRO wegen diverser Klauseln in den Geschäftsbedingungen geklagt. Nachdem bereits das Handelsgericht Wien und das Oberlandesgericht Wien dutzende Klauseln als unzulässig beurteilt haben, liegt nun die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) vor: Das Höchstgericht erachtet 48 Klauseln als gesetzwidrig.

Zum Seitenanfang