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Urteil: Libormanipulation: Österreichisches Gericht für Kläger in Österreich zuständig

Für das Kartelldeliktsrecht ist der Erfolgsort, also der Ort, wo der durch die kartellbedingten Mehrkosten verursachte Schaden entsteht, der (Wohn-)Sitz des Geschädigten.

Der Kläger brachte in Österreich (am Ort seines Wohnsitzes) eine Feststellungsklage auf Haftung der Beklagten (Sitz in Großbritannien) für sämtliche Schäden aus ihrer Mitwirkung an der Manipulation des Referenzzinssatzes LIBOR in Schweizer Franken ein. Die Beklagte habe zwischen Mai 2008 und Juli 2009 rechtswidrig (entgegen europäischen Wettbewerbsvorschriften) und schuldhaft an der Manipulation des LIBOR-Referenzzinssatzes in Schweizer Franken mitgewirkt. Die Beklagte habe mit einer weiteren international tätigen Bank versucht, die übliche Preisgestaltung von Zinsderivaten in Schweizer Franken zu verfälschen. Durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Beklagten sei dem Kläger ein Schaden in seinem Vermögen durch höheren Zinsaufwand entstanden, weil bei dem von ihm bei einer österreichischen Bank aufgenommenen Kredit die Anpassung des Sollzinssatzes an den LIBOR vereinbart worden sei.

Die Beklagte wendete die örtliche (internationale) Unzuständigkeit des Erstgerichts ein. Der OGH bestätigte die Zuständigkeit des österreichischen Gerichtes:

Gem Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Als Delikt iS dieser Bestimmung werden in der Rsp unerlaubte Handlungen angesehen, welche eine Schadenshaftung des Beklagten nach sich ziehen, die nicht an einem Vertrag anknüpft. Darunter fallen insb auch Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb und aus der Verletzung von Immaterialgüterrechten.

Laut EuGH (in C-352/13, CDC Hydrogen Peroxide SA) kann der Geschädigte im Falle eines Kartellschadenersatzes gegen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Beklagten, entweder bei dem Gericht des Orts klagen kann, an dem das Kartell definitiv gegründet oder gegebenenfalls eine spezifische Absprache getroffen wurde (Handlungsort), oder bei dem Gericht des Orts, an dem der Geschädigte seinen Sitz hat (Erfolgsort). Da es sich um einen Schaden handelt, der in den Mehrkosten besteht, die wegen eines künstlich überhöhten Preises anfielen, lässt sich dieser Ort nur für jeden einzelnen mutmaßlich Geschädigten ermitteln und liegt grundsätzlich an dessen Sitz.

Nichts Anderes kann nach diesen Grundsätzen dann gelten, wenn - wie hier im Anlassfall - der nach seinen Behauptungen Geschädigte ein Bankkunde ist, der seine Schadenersatzklage auf eine unionsrechtswidrige Marktbeeinflussung durch die Beklagte (mit der Folge einer Erhöhung des Zinssatzes als Marktpreis für Kredite) stützt. Für das Kartelldeliktsrecht ist der Erfolgsort, also der Ort, wo der durch die kartellbedingten Mehrkosten verursachte Schaden entsteht, der (Wohn-)Sitz des Geschädigten.

Im Hinblick auf den Wohnsitz des Klägers, der durch das wettbewerbsrechtswidrige Verhalten der Beklagten an seinem Vermögen geschädigt zu sein behauptet, im Sprengel des angerufenen Gerichts, liegt die in Anspruch genommene Zuständigkeit im Sinn des Art 7 Nr 2 EuGVVO vor.

OGH 30.8.2016, 4 Ob 120/16z

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Klagsvertreter: Dr. Karl-Heinz Plankel und andere Rechtsanwälte in Dornbirn

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