Zum Inhalt

Urteil: Informationspflichten der Bank gegenüber Mitschuldnern und Bürgen

Der OGH hält in einem Musterprozess des VKI fest: Nach ständiger Rechtsprechung besteht die Informationspflicht auch dann, wenn der Interzedent über die finanzielle Situation des Hauptschuldners Bescheid weiß. Die Bank kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Aufklärung durch den Hauptschuldner erfolgt ist, da dieser nicht Verhandlungsbeauftragter des Kreditgebers ist.

Eine Konsumentin unterfertigte im Jahr 2000 gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten einen Kreditvertrag über S 345.000,-- (€ 25.072,13). Die Gesamtbelastung betrug S 506.928,-- (€ 36.839,89). Im Zeitpunkt der Kreditvertragsunterfertigung hatte der Lebensgefährte einen Vorkredit bei der beklagten Bank offen, aus dem ein Betrag von S 200.000,-- (€ 14.534,57) aushaftete. Die Konsumentin wusste von Schulden ihres Lebensgefährten, über seine finanzielle Gesamtlage war sie jedoch nicht informiert.

Der Kredit wurde hauptsächlich zur Schuldenabdeckung des Lebensgefährten verwendet. Als die Konsumentin den Kreditvertrag unterschrieb, hatte sie ein Einkommen von brutto S 14.200,-- (€ 1.031,95).

Die Kreditunterlagen nahm der Lebensgefährte mit nach Hause, wo sie von der Konsumentin unterschrieben wurden. Die Konsumentin hatte nie direkten Kontakt zur beklagten Bank und war auch in keiner ihrer Filialen. Auf der ersten Seite des Kreditvertrages stand, dass es sich um einen Barkredit "für diverse Anschaffungen" handle. Überdies war der Hinweis "Abdeckung GA Capital Bank" sowie "Abdeckung Die Erste Bank" zu lesen. Am Ende des Kreditvertrages befand sich der Vermerk, dass die Konsumentin über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers und über die wesentlichen Folgen der Solidarhaftung aufgeklärt worden sei und dass sie zur Übernahme der Solidarhaftung auch für den Fall bereit sei, dass der Kreditnehmer seine Verpflichtung nicht oder nicht vollständig erfüllt.

Der Kredit konnte vom Lebensgefährten nicht mehr bedient werden. Nachdem die Bank der Konsumentin mit Gehaltsabtretung gedroht hatte, bezahlte sie einen Betrag von S 82.393,37 (€ 5.987,76).

Der VKI übernahm für die Konsumentin den Musterprozess. Einerseits sollte der rechtsirrtümlich geleistete Betrag zurückgefordert und andererseits die Feststellung erreicht werden, dass die Konsumentin für den Restbetrag nicht haftet.

Das Erstgericht wies die Klage gegen die Bank ab. Es ging nicht von einer sittenwidrigen Interzession aus, da es an einem krassen Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin fehlte. Für eine Verletzung der Hinweispflicht im Sinn des
§ 25 c KSchG gab es nach Auffassung des Gerichtes keine Anhaltspunkte. Die Hinweispflicht im Sinne des § 25c setze voraus, dass der Gläubiger erkannte oder erkennen habe müssen, dass der Hauptschuldner vermutlich nicht in der Lage sein werde, seine Verpflichtung zur Gänze zu erfüllen. Von der Klägerin sei aber nicht vorgebracht worden, ob und inwieweit der beklagten Partei tatsächlich ein solches Wissen oder Wissenmüssen zu unterstellen sei. Das Erstgericht lehnte auch die Anwendbarkeit des Mäßigungsrechtes im Sinn des § 25 d KSchG mangels Vorbringen ab.

Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass die Klägerin ihre Unterschrift unter den Kreditvertrag als Interzedentin jedenfalls auch dann geleistet hätte, wenn sie von der Bank über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers ordentlich aufgeklärt worden wäre. Dies deshalb, weil der damalige Lebensgefährte der Klägerin auf sie solange eingeredet und nicht nachgegeben hätte, bis sie unterschrieben hätte. Überdies hätte sie ihre Unterschrift unmittelbar unter den fettgedruckten Warnhinweis der Bank auf dem Kreditformular gesetzt. Dies wurde als Indiz dafür gewertet, die Klägerin hätte den Kreditvertrag auch dann unterfertigt, wenn sie tatsächlich von der Bank über die finanzielle Gesamtlage informiert worden wäre. Das Berufungsgericht ging auch davon aus, dass der Lebensgefährte als Verhandlungsgehilfe der Bank gehandelt habe. Es sei diesfalls ausreichend, die gemäß § 25c geforderte Aufklärung nicht selbst zu leisten, sondern dem Verhandlungsgehilfen zu übertragen.

Der OGH hat der Revision Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Gemäß § 25c KSchG hat der Gläubiger einen Verbraucher, der einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant beitritt, auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht erfüllen wird. Nach ständiger Rechtsprechung besteht die Informationspflicht auch dann, wenn der Interzedent über die finanzielle Situation des Hauptschuldners Bescheid weiß. Unterlässt der Unternehmer diese Information, so haftet der Interzedent nur dann, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätte. Wenn aber der Gläubiger aktiv für eine bereits bestehende Forderung die Einbeziehung eines Interzedenten betreibt, so weist dies dem ersten Anschein nach darauf hin, dass er die Einbringung der Forderung beim Hauptschuldner als nicht gesichert ansieht.

Im vorliegenden Fall diente der gegenständliche Kredit der Abdeckung der Vorkredite, weshalb der Klägerin die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises jedenfalls zugute kommt.

Die beklagte Bank kann sich auch nicht auf eine Aufklärung durch den Lebensgefährten berufen, da dieser nicht Verhandlungsbeauftragter des Kreditgebers ist. Dem Gläubiger wiederum steht es frei zu beweisen, dass der Verbraucher die Interzession auch bei erfolgter Information getätigt hätte.

Das Erstgericht muss nunmehr im fortgesetzten Verfahren prüfen, ob die Bank eine Informationspflicht traf, wenn ja, ob die Konsumentin auch bei Erfüllung der Informationspflicht die gegenständliche Verpflichtung übernommen hätte.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht abgelehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Unzulässige Klausel zum Pensionswahlrecht

Der VKI unterstützte – im Auftrag des BMSGPK – erfolgreich einen Konsumenten, der bei der Generali Versicherungs AG eine Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen hatte.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Zum Seitenanfang