Zum Inhalt

Urteil: Haftung des Anlageberaters - Rsp des OGH zum Rechtswidrigkeitszusammenhang

Zusicherung der völligen Risikolosigkeit einer Anlage erhöht für den Anleger die Gefahr, eine Anlage zu wählen, die nicht seinen Risikovorstellungen entspricht. Rechtswidrigkeitszusammenhang wird ungeachtet der Gründe für den späteren Ausfall bejaht.

Der klagende Anleger verfügte im Jahr 2008 über liquide Mittel von 20.000 EUR. Davon erfuhr die für das beklagte Finanzdienstleistungsunternehmen tätige Beraterin, die den Beklagten seit Jahren in  Versicherungsangelegenheiten beraten hatte. Sie kannte ihn als genauen und gewissenhaften Kunden, der grundsätzlich eine eher "negative und vorsichtige Lebenseinstellung" hatte und über nahezu keine Erfahrung mit der Anlage in Wertpapieren verfügte. Sie riet dem Kläger zum Erwerb einer Unternehmensanleihe der "Grund- und Immo GmbH" mit Laufzeit von einem Jahr. Dabei handle es sich um ein "super Produkt", das zu 100 % sicher sei und eine Mindestverzinsung von 4,5 % aufweise; durch einen "Zinsbonus" könne sich der Ertrag deutlich erhöhen. Dem Kläger war neben der Sicherheit die Mindestverzinsung von 4,5 % wichtig, da er bei einer Bank 3,5 % bekommen hätte.

In einem weiteren Termin wurde ein Anlegerprofil erstellt. Darin wurde in der Rubrik "Risikobereitschaft bzw Produktrisiken der Veranlagung" folgendes angekreuzt: "RK 4: Spekulative Veranlagung mit hohen Kursschwankungen und eventuellem Totalverlustrisiko (zB Hedgefonds, Immobilienaktie,  Aktienfonds der Schwellenländer, etc)."
Der Kläger fragte daraufhin zum Verlustrisiko der Anlage nach. Die Beraterin sicherte ihm zu, dass tatsächlich kein Risiko bestehe, zumal es sich um ein sicheres Produkt handle. Daraufhin unterzeichnete der Kläger ein Zeichnungsformular für die Anleihe, wobei er die gesamten 20.000 EUR investierte. 

Zum Zeitpunkt der Anlageberatung im Juli 2008 waren keine finanziellen Schwierigkeiten der Emittentin bekannt. Am 22. Mai 2009 wurde über ihr Vermögen jedoch das Konkursverfahren eröffnet. 

Entscheidungsgründe: 

Der OGH hat die Haftung des beratenden Finanzdienstleisters dem Grunde nach bejaht.

Bei der Prüfung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs verwies der OGH auf seine Entscheidung OGH 4 Ob 62/11p, wonach der Rechtswidrigkeitszusammenhang mit einer mangelhaften Beratung auch vorliegen kann, wenn sich ein Anlagerisiko verwirklicht hat, vor dem der Berater mangels Erkennbarkeit nicht warnen musste. 

Ein solcher Fall liege hier vor: Die Zusicherung völliger Risikolosigkeit impliziere das Vorhandensein besonderer Informationen. Da das Anlageprodukt selbst wegen der kurzen Laufzeit und der fixen (Basis-)Verzinsung einfach gestaltet war, mussten sich diese Kenntnisse auf den einzigen (relevanten) Risikofaktor, also auf die Bonität der Emittentin beziehen; dafür seien deren Geschäftsmodell und die Seriosität der für sie handelnden Personen maßgebend.

Die Abgabe einer diesbezüglichen Zusicherung ohne Vorliegen besonderer Informationen habe für den Anleger die Gefahr erhöht, eine Anlage zu wählen, die nicht seinen Risikovorstellungen entsprach. Zu diesem Risikobündel habe auch die hier (angeblich) verwirklichte Gefahr eines strafbaren Verhaltens der Organe gehört. Diese Gefahr sei umso höher, je kürzer ein Unternehmen auf dem Markt ist und je weniger (verlässliche) Informationen daher über die Eignung des Geschäftsmodells und die Seriosität der handelnden Personen vorliegen. 

Aus diesen Gründen komme es auf die Ursachen für das Scheitern der Emittentin nicht an. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang wäre auch dann zu bejahen, wenn die Insolvenz tatsächlich durch strafbares Verhalten der Organe verursacht worden wäre. Aus demselben Grund müsse auch nicht entschieden werden, ob ein "konsequentes Durchhalten" des Naturalrestitutionsansatzes eine Prüfung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs von vornherein ausschließt, wenn der Kläger aufgrund einer mangelhaften Beratung ein Anlageprodukt erworben hatte, das er sonst nicht gewollt hätte (so - gegen 4 Ob 62/11 - zuletzt M. Bydlinski in JBl 2011, 662 [687 ff]; ähnlich Graf in ecolex 2011, 805 f).

Da der Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichtes entschlossen war, das Kapital bei einer Bank zu veranlagen, und nur die Zusicherungen der Beklagten zu Zinssatz und Sicherheit zur  Entscheidung für die Unternehmensanleihe geführt hatten, erachtete der OGH das Begehren des klagenden Anlegers auf Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe der Wertpapiere für berechtigt (Naturalrestitution). 

Im fortgesetzten Verfahren hat der Kläger nun ein schlüssiges Vorbringen zum Zinsenbegehren i.H.v. 4,5 % ab Kauf der Anleihe zu erstatten.

OGH 22.11.2011, 4 Ob 70/11i 
Volltextservice

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht abgelehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Unzulässige Klausel zum Pensionswahlrecht

Der VKI unterstützte – im Auftrag des BMSGPK – erfolgreich einen Konsumenten, der bei der Generali Versicherungs AG eine Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen hatte.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Zum Seitenanfang