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Urteil: Falsche Anlageberatung durch AWD

Der VKI gewinnt in erster Instanz Musterprozess wegen falscher Anlageberatung gegen den AWD. Der Konsument wurde von einem AWD-Berater nicht darüber aufgeklärt, dass er bei einer Kommanditbeteiligung an der Boden-Invest Beteiligungsgesellschaft mbH Co KEG auch Kapital verlieren kann.

In den Jahren 1992 -1996 wurden Kommanditbeteiligungen an der Boden-Invest (Vermittlerin war die Kapital & Wert) - vorwiegend über die AWD Gesellschaft für Wirtschaftsberatung Ges.m.b.H. - vertrieben. Viele unerfahrene Anleger vertrauten auf die Zusicherungen der Anlagenberater und erhofften sich bessere Gewinne als etwa bei einem Bausparvertrag. Tatsächlich mussten die Anleger aber Kapitaleinbußen hinnehmen.

Der VKI klagte - im Auftrag des BMSGK - den AWD in 6 Fällen auf Schadenersatz aufgrund falscher Anlageempfehlung. In allen Fällen behaupten die Konsumenten, nicht über das Risiko einer Kommanditbeteiligung aufgeklärt worden zu sein. Nunmehr liegt die erste - allerdings noch nicht rechtskräftige - Entscheidung vor.

Der Konsument, ein einfacher Arbeiter, ohne nennenswertes Vermögen, wurde im Jahr 1993 von seinem Nachbar - der seit geraumer Zeit für den AWD arbeitete - zwecks einer Vermögensverwaltungsberatung angesprochen. Bis dahin hatte der Konsument als einzige Vermögensveranlagung für jedes Familienmitglied einen Bausparvertrag laufen. Insbesondere diente sich der AWD-Berater an, die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit seiner Versicherungsverträge zu überprüfen. Der Konsument zeigte sich grundsätzlich nicht abgeneigt.

In weiterer Folge wurde der Konsument von seinem Nachbar und einem zweiten AWD-Berater aufgesucht. Die Frage der Versicherungsverträge wurde nur kurz gestreift und der Konsument wurde schon bald nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gefragt. Aufgrund der nachbarschaftlichen Verhältnisse wollte er keine ausführlichen Auskünfte geben. Es war lediglich die Rede davon, dass er monatlich ca. S 2000,-- (€ 145,35) erübrigen könne.

Dem Konsumenten wurden die Vorteile des Besitzes von Grund und Boden anstatt reinem Kapital nahe gebracht. Bei einer Laufzeit von 10 Jahren und einer monatlichen Investition von S 2000,-- errechnete der Berater nach Ende der Laufzeit einen Auszahlungsbetrag von S 147.000,-- (€ 10.682,91). Dabei wurde dem Konsument erklärt, dass er sich mit dem eingesetzten Kapital an renommierten Immobilien beteiligen würde, was jedenfalls vielversprechender als ein Bausparvertrag wäre. Als Gesprächsgrundlage legten die Berater dem Konsument den Verkaufsprospekt des Produktes vor. Weiters gab es handschriftliche Aufzeichnungen des Beraters, in welchen an Hand von Modellrechnungen die gegenüber einem Bausparvertrag höheren Erträge dargestellt wurden.

Bei dem angepriesenen Produkt handelte es sich um eine treuhändige Kommanditbeteiligung an der Boden Invest Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KEG mit dem Verkaufsnamen "Flexibel". Die Kommanditbeteiligung der Anleger wurde von der ATI Vermögenstreuhand Gesellschaft mbH verwaltet. Vermittlerin dieser Kommanditbeteiligung war die "Kapital & Wert".

Anlässlich des Beratungsgespräches wurde dem Konsument die Bedeutung einer Kommanditbeteiligung nicht erklärt, er wurde auch nicht darauf hingewiesen, dass er die Kapitaleinlage zur Gänze bzw. teilweise verlieren könnte.

Der Konsument vertraute auf die Darlegungen der Berater und unterzeichnete im Jänner 1993 den Zeichnungsschein zur Vermittlung einer Kommanditbeteiligung an der "Boden-Invest", wobei er sich verpflichtete die übernommene Einlage von S 240.000,--(€ 17.441,48) in monatlichen Raten zu jeweils S 2000,-- (€ 145,35) für die Dauer von 10 Jahren zu leisten.

Erst nach Unterzeichnung bekam der Konsument den Veranlagungsprospekt nach dem Kapitalmarktgesetz sowie den Gesellschaftsvertrag zugesendet. Darin wurden die Chancen und Risken der Veranlagung dargelegt, allerdings so unkonkret, dass der Konsument damit nichts anfangen konnte.

Der Konsument bezahlte bis zum Ende der Laufzeit insgesamt einen Betrag von € 9.592,81 ein. Nach Ablauf der zehnjährigen Laufzeit wurde ihm mitgeteilt, dass er lediglich 78,46 % des eingezahlten Kapitals, somit € 6.842,46 erhalten werde.

Das Erstgericht ging davon aus, dass zwischen den Streitteilen ein Auskunftsvertrag im Sinne des

§ 1300 ABGB zustande gekommen sei. Demnach haftet die Gegenseite für die Erteilung eines nachteiligen Rates. Die Gegenseite hatte den in wirtschaftlichen Angelegenheiten unerfahrenen Anleger nicht darauf hingewiesen, dass er die Kapitaleinlage auch verlieren könne. Der Anleger wurde weder über die Bedeutung einer Kommanditbeteiligung aufgeklärt noch auf den Umstand, dass das Schicksal seiner Einlage zur Gänze von der Vermögensentwicklung der Emittentin abhängig sei. Das Gericht folgte den glaubhaften und überzeugenden Aussagen des Konsumenten, da sich der Berater an das Beratungsgespräch - insbesondere an eine konkrete Risikobelehrung - nicht mehr genau erinnern konnte.

Selbst wenn dem Anleger - wie von der Gegenseite behauptet - vor Vertragsabschluss der Kapitalmarktprospekt ausgehändigt worden wäre, sei daraus mangels zusätzlicher Beratung nichts zu gewinnen, weil selbst dort von einem Kapitalverlust konkret nicht die Rede ist und die darin enthaltenen Risikohinweise für einen wirtschaftlich uninformierten Konsumenten weitgehend unverständlich sind.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig und es bleibt abzuwarten, ob die Gegenseite Berufung erheben wird.

BGHS 5.1.2004, 11C 548/03 nk
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Klagevertreter: Dr. Benedikt Wallner, RA in Wien

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