Zum Inhalt

Urteil: Erstattung für Pauschalreisende nur vom Reiseveranstalter

Nach einer neuen EuGH-Entscheidung können Pauschalreisende ihre Ansprüche auf Erstattung der Flugscheine bei einem annullierten Flug nur beim Reiseveranstalter stellen, nicht aber bei der Fluggesellschaft. Dies gilt selbst, wenn der Reiseveranstalter finanziell nicht in der Lage ist (zB bei Insolvenz), die Flugscheinkosten zu erstatten, und keine Maßnahmen getroffen hat diese Erstattung sicherzustellen.

Im niederländischen Ausgangsfall hatten die Konsumenten eine Pauschalreise nach Korfu für Juli 2015 gebucht und bezahlt. Kurz vor der Abreise wurde ihnen dann jedoch mitgeteilt, dass die Flüge wie auch die gesamte Pauschalreise annulliert werden müssten. Der Reiseveranstalter begründete dies mit stagnierenden Buchungszahlen und Reiserücktritten. Aegan Airlines hatte beschlossen keine Flüge mehr nach und von Korfu durchzuführen, da die mit dem Reiseveranstalter für diese Charterflüge vereinbarten Preise nicht mehr erlangt werden hätten können.

Im August 2016 wurde über das Vermögen des Reiseveranstalters das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Konsumenten hatten davor die Flugscheinkosten nicht mehr vom Reiseveranstalter erstattet bekommen. Sie erhoben daraufhin Klage gegen Aegan Airlines auf Erstattung der Flugscheinkosten nach Art 8 Abs 1 lit a Fluggastrechte-VO (EG) 261/2004. Im Verfahren argumentiert Aegan Airlines jedoch, dass diese Bestimmung bei Anwendung der Pauschalreise-RL 90/314/EWG ausgeschlossen sei.

Der EuGH erklärte in seiner Entscheidung, dass der Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten gegen die Airline nach Art 8 Abs 1 Fluggastrechte-VO zwar grundsätzlich auch bei einer Pauschalreise gelten könne. Dies jedoch nicht gelte, wenn sich ein solcher Anspruch bereits aus der Pauschalreise-RL ergebe. Nach Art 8 Abs 2 Fluggastrechte-VO genüge es dabei bereits, dass ein Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten gegen den Reiseveranstalter nach der Pauschalreise-RL bestehe, um einen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten gegen das Luftfahrtunternehmen auszuschließen, dass der Reiseveranstalter die Kosten tatsächlich erstatte sei dagegen nicht notwendig. Es sei in diesem Zusammenhang daher unerheblich, dass der Reiseveranstalter im konkreten Fall möglicherweise finanziell nicht in der Lage sei (insbesondere wegen Insolvenz), die Flugscheinkosten zu erstatten und keine Vorsorgemaßnahmen getroffen habe, dass die Erfüllung seiner diesbezüglichen Verpflichtungen sichergestellt ist.

Ansprüche nach der Pauschalreise-RL auf Erstattung der Flugscheinkosten und nach der Fluggastrechte-VO auf Erstattung derselben Kosten sind nach dem EuGH also nicht kumulierbar. Der EuGH begründet dies damit, dass nach Art 7 Pauschalreise-RL Reiseveranstalter verpflichtet seien, für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit oder eines Konkurses Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um die Erstattung bezahlter Beträge an die Pauschalreisenden sicherzustellen und die Verbraucher so vor den Folgen eines Konkurses des Reiseveranstalters zu schützen. Dadurch sei ein ausreichender Schutz der Konsumenten sichergestellt. Wenn im konkreten Fall im nationalen Recht nicht sichergestellt sei, dass entsprechende Vorsorgemaßnahmen getroffen würden, hätten die betroffenen Reisenden grundsätzlich die Möglichkeit Klage gegen den Mitgliedstaat auf Ersatz des Schadens zu erheben, der ihnen durch die Verletzung des Unionsrechts entstanden sei.

EuGH 10.07.2019, C-163/18 (HQ ua/Aegan Airlines)
Volltextservice

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

EuGH: Reiseveranstalter haftet für Vergewaltigung durch Hotelangestellten

Die Haftung des Reiseveranstalters für die ordnungsgemäße Erfüllung des Pauschalreisevertrages nach Art 5 Abs 1 der Pauschalreise-Richtlinie stellt eine Besonderheit dar: Sie erstreckt sich auch auf Dienstleistungsträger; demnach haftet der Reiseveranstalter für die ordnungsgemäße Erfüllung unabhängig davon, ob er oder andere Dienstleistungsträger (zB das Hotel) diese Verpflichtung zu erfüllen haben. Eine davon bestehende Ausnahme war Gegenstand dieses Vorabentscheidungsverfahrens.

Stellt eine Umleitung zu einem nahegelegenen Flughafen eine Annullierung dar?

Grundsätzlich ist ein Flug, der zu einem anderen Flughafen als dem ursprünglich vorgesehenen Zielflughafen umgeleitet wird, als annulliert anzusehen. Der EuGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob dies auch für den Fall gilt, wenn eine Umleitung zu einem Flughafen erfolgt, der zwar in einem anderen Bundesland liegt, aber dieselbe Stadt bedient.

Erfolg gegen Wizz Air bei Rückforderung wegen Flugstornierung

Im Februar 2020 buchten zwei Konsumenten Hin- und Rückflüge mit Wizz Air Hungary Ltd. (kurz: Wizz Air) von Wien nach Lissabon (Portugal) um ca. € 350,00. Geplanter Reisezeitraum war Anfang Mai. In der Zwischenzeit kam es zum Ausbruch der Corona-Pandemie. Die Konsumenten stornierten daher und traten ihre Flüge nicht an. Wizz Air erstatte den Konsumenten das Geld nicht zurück mit der Begründung, dass die Flüge wie geplant durchgeführt wurden. Im Auftrag des Sozialministeriums klagte der VKI für die beiden Konsumenten dieses Geld erfolgreich ein.

Urteil: Gesetzwidrige Klauseln zur Sitzplatzreservierung der Laudamotion

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Laudamotion GmbH. Verfahrensgegenstand sind Klauseln in den AGB und in den FAQ („frequently asked questions“), die im Zusammenhang mit der Sitzplatzreservierung stehen. In erster Instanz wurden alle eingeklagten Klauseln für unzulässig befunden.

Zum Seitenanfang