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OGH zu Genesungsgeld und Taggeld bei Unfallversicherung

Der Kläger erlitt am 23.2.2017 infolge eines Sturzes einen „Freizeitunfall“ und verletzte sich im Bereich des rechten Schultergelenks. Dem Versicherungsvertrag, den der Kläger bei dem beklagten Versicherer abgeschlossen hatte, liegen die Allgemeinen Bedingungen für den Premium-Unfallschutz (AUVB 2012) zugrunde. Der Kläger begehrt die Zahlung von Genesungsgeld für seinen (insgesamt) sechstägigen Krankenhausaufenthalt, die Zahlung von Taggeld aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit und Feststellung der Haftung der Beklagten aufgrund der durch den Unfall erlittenen Dauerinvalidität.

 

Feststellung der Versicherungsleistung

Die Feststellungsklage ist bei gleichem Rechtsschutzeffekt subsidiär zur Leistungsklage. Kann der Kläger bereits Leistungsklage erheben, fehlt seinem Feststellungsbegehren das rechtliche Interesse. Die Leistung aus der Unfallversicherung ist üblicherweise eine Kapitalzahlung. Es liegen alle Tatsachen vor, die für die Beurteilung der Ansprüche aus dem Unfallversicherungsvertrag relevant sind. Dem Kläger wäre eine Ausmessung des Anspruchs, allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen vor Erhebung der Klage, möglich gewesen. Das Feststellungsbegehren wurde daher abgewiesen.

 

Genesungsgeld

Das Genesungsgeld (Art 13 AUVB 2012) ist seiner Funktion nach dazu bestimmt, dem Versicherten Mittel für seine Genesung zur Verfügung zu stellen.

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird die Anspruchsvoraussetzung des Genesungsgeldes, „wenn durch einen Unfall eine stationäre Behandlung in einem Spital innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Unfalls medizinisch notwendig wird“, dahin verstehen, dass ein Spitalsaufenthalt, der durch den Unfall medizinisch veranlasst wird, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Eintritt des Unfalls tatsächlich stattfindet. Diese Bestimmung stellt nicht auf die bloße Absehbarkeit einer stationären Behandlung innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfalltag ab. Es reicht also nicht, wenn feststehe, dass ein Krankenhausaufenthalt zu einem späteren, außerhalb der Frist liegenden Zeitpunkt stattfinden werde.

Dem Kläger steht daher das Genesungsgeld nicht zu, weil er im Zeitraum von zwei Jahren nach dem Unfall nur zwei Tage im Krankenhaus war und Genesungsgeld erst ab einer Aufenthaltsdauer von sechs Tagen zusteht. Der zweite Spitalsaufenthalt, der außerhalb der 2-Jahres-Frist liegt, ist nicht zu berücksichtigen.

 

Taggeld

Taggeld zahlt die Beklagte bei „dauernder oder vorübergehender Invalidität, abgestuft nach dem Grad der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit der versicherten Person in ihrem ausgeübten Beruf“ (Art 12 1. AUVB 2012).

Nach Art 7 1. AUVB 2012 liegt dauernde Invalidität vor, wenn die versicherte Person durch den Unfall auf Lebenszeit in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Voraussetzung für die Leistung ist, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres ab dem Unfall eintritt und unter Vorlage eines ärztlichen Befundes innerhalb von 15 Monaten geltend gemacht wird (Art 7 2. AUVB 2012). Diese Bedingungslage gilt auch für die Zahlung von Taggeld.

Die Berufung auf den Fristablauf durch den Versicherer kann beispielsweise treuwidrig sein, wenn sich der Versicherer nach Fristablauf noch auf Verhandlungen einlässt und neue Gutachten anfordert.

Der Versicherungsnehmer übermittelte der Beklagten zwar kurz nach dem Unfall ärztliche Befundberichte, allerdings machte er eine dauernde Invalidität erst nach Ablauf der 15-Monatsfrist geltend. Der Versicherer gab nach Ablauf dieser Frist ein medizinisches Gutachten zur Beurteilung der dauernden Invalidität des Klägers in Auftrag und lehnte auf der Grundlage dieses Gutachtens infolge Vorerkrankung die Ansprüche des Klägers ab. Auf die verspätete Geltendmachung wies sie nicht hin. Dadurch, dass sie trotz Kenntnis von der unterlassenen Geltendmachung der dauernden Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall, ihre Leistungen aus dem Unfallversicherungsvertrag allein aus inhaltlichen Gründen ablehnte, erzeugte sie beim Kläger die Erwartung, dass sie sich auch im Prozess nur auf inhaltliche Einwände gegen seinen Anspruch beruft. Unter diesen Umständen verstößt der erstmals im Prozess erhobene Einwand des Ablaufs der 15-Monatsfrist des Art 7 2. AUVB 2012 gegen Treu und Glauben und ist daher unbeachtlich.

Für die Beurteilung des Anspruchs auf Zahlung von Taggeld fehlen Feststellungen, ob es sich um einen Unfall iSd Versicherungsbedingungen handelte und dieser zu einer vorübergehenden oder dauernden Invalidität des Klägers sowie zu seiner (teilweisen) Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit führte.

Das Verfahren ist daher ergänzungsbedürftig und wurde an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

 

OGH 25.11.2020, 7 Ob 187/20f

Das Urteil im Volltext.

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