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Urteil: Baurisikoausschluss bei Rechtsschutzversicherung

Zwischen dem klagenden Versicherungsnehmer und der beklagten Rechtsschutzversicherung besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2003) zugrunde liegen. Nach Art 7.1.9 ARB 2003 besteht unter anderem kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die im Zusammenhang mit der Errichtung oder baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderungen eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils (Wohnung) stehen. Dieser Ausschluss gilt nicht für die Geltendmachung von Personenschäden.

Der Kläger baute sein Wohnhaus selber um (mit Baubewilligung, aber entgegen der erteilten Auflagen in Eigenregie). Dabei halfen ihm Arbeitskollegen. Im Zuge dessen kam es zu einem Unfall, bei welchem eine Person vom Gerüst stürzte und sich dabei schwer verletzte.

Im Hinblick auf mögliche Ersatzforderungen des Verletzten bzw mögliche Regressforderungen von Sozialversicherungsträgern oder anderen Leistungsstellen meldete der Kläger das Unfallereignis seinem Haftpflichtversicherer, der jedoch den Deckungsanspruch ablehnte.

Der Kläger begehrte daher die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Rechtsschutzversicherers, ihm Versicherungsschutz für die gegenüber seinem Haftpflichtversicherer angestrebte Deckungsklage zu gewähren. Fraglich war nun, ob der Risikoausschluss gemäß Art 7.1.9 ARB 2003 zum Tragen kommen. Der OGH bejahte dies:

Zweck des Ausschlusses ist es, dass ein ganzer, durchaus überschaubarer und auch eingrenzbarer, im Grund erheblicher und typischerweise immer wiederkehrender Lebenssachverhalt vom Versicherungsschutz ausgenommen werden soll, der die allermeisten Versicherungsnehmer nicht, relativ wenige Bauwillige dafür mit erheblichem Kostenrisiko und in fast schon standardisierter Weise und Häufigkeit betrifft.

Wird der Bauherr - wie hier - mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen Verletzungen, die eine von ihm auf der Baustelle eingesetzte Person durch den Sturz von dem behauptetermaßen nicht ausreichend gesicherten Gerüst konfrontiert, so stehen diese in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Errichtung bzw der baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung des Gebäudes. Hier realisiert sich das typische Bau-(herren-)-risiko und nicht nur ein "Jedermann-Risiko", weil nur ein kleiner Personenkreis in den Wirkungsbereich einer Baustelle gelangt. Streitigkeiten im Zusammenhang mit derartigen Unfallschäden fallen demnach unter den Ausschluss.

Die Streitigkeit auf Durchsetzung des Deckungsanspruchs gegenüber dem Haftpflichtversicherer steht im ursächlichen Zusammenhang mit der Errichtung bzw baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung des Gebäudes, weshalb der Risikoausschluss grundsätzlich greift

Art 7.1.9 ARB 2003 regelt weiters, dass der Ausschluss nicht für die Geltendmachung von Personenschäden gilt. Eine Haftpflichtversicherung soll grundsätzlich im Rahmen des Versicherungsvertrags das Risiko abdecken, dass der Versicherungsnehmer von einem Dritten (zu Recht oder zu Unrecht) auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird. Aus dem klaren Zweck der Haftpflichtversicherung ergibt sich, dass es sich bei der Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers nicht um die "Geltendmachung eines Personenschadens" handelt. Abgesehen davon umfasst der Begriff bereits nach seinem Wortlaut nicht sämtliche Folgeprozesse, eines solchen Personenschadens.


OGH 20.6.2018, 7 Ob 75/18g

Das Urteil im Volltext.

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