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Urteil: BGH zu Ansprüchen gegen Clerical Medical

Der BGH hält in mehreren Entscheidungen zum Produkt Wealthmaster Noble fest, dass Clerical Medical - zumindest nach den Vertragsbedingungen - für die Erfüllung der ausgewiesenen Auszahlungen einzustehen hat.

Nur allfällige Hinweise der Vermittler zu den nach der Polizze garantierten Auszahlungen sind noch zu prüfen. Auch Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Aufklärung erscheinen denkbar. 

In einem der Anlassfälle (BGH IV ZR 151/11) schloss ein Konsument im Jahr 2002 bei der Clerical Medical Investment Ltd. zwei Lebensversicherungen "Wealthmaster Noble" mit einem Einmalerlag von jeweils € 100.000,-- ab. In den Polizzen waren steigende vierteljährliche Auszahlungen über rund 40 Jahre vorgesehen. 

Der Konsument finanzierte die Einmalerläge zur Gänze mit einem Darlehen. Aus den beiden Lebensversicherungen sollten die Zinsen für die Darlehen bezahlt werden. 

Die Versicherung nahm die Auszahlungen in der vorgesehenen Höhe vor, reduzierte dabei zur Deckung dieser Auszahlungen jedoch die zugewiesenen Poolanteile, sodass der Vertragswert sank. Die Erfüllung der laut Polizze vorgesehenen Auszahlungen über die rund 40 Jahre war somit gefährdet. 

Der Konsument machte daher in der Folge Schadenersatz- und Erfüllungsansprüche geltend. Es bestehe nämlich die Gefahr, dass Clerical Medical nur so lange Auszahlungen vornimmt, wie auch ausreichend Anteile im Pool vorhanden sind. Nach Aufbrauchen der Poolanteile könnten daher Auszahlungen unterbleiben. 

Das Berufungsgericht ging zwar von einer Haftung der Versicherung für die Erfüllung der angeführten Leistungen aus, verneinte aber Schadenersatzansprüche. 

Hinsichtlich der Erfüllungsansprüche verweist der BGH darauf, dass Clerical Medical nach dem Erklärungsgehalt von Antrag und Polizze die angeführten regelmäßigen Auszahlungen vornehmen muss. Diese sind hinsichtlich Betrag und Auszahlungsdatum angeführt, weder im Antrag noch in der Polizze sind die Auszahlungen an irgendwelche weiteren Voraussetzungen geknüpft. Nur ein allenfalls über die Auszahlungen hinausgehender Mehrertrag aus der Lebensversicherung war betragsgemäß nicht festgelegt. Somit erscheinen die angeführten Zahlungen als garantierte Versicherungsleistung. 

Der BGH verweist auch darauf, dass weder in den Policenbedingungen noch in der Verbraucherinformation Beschränkungen enthalten sind oder zusätzliche Voraussetzungen aufgestellt werden. In den Bedingungen fehlt insbesondere ein ausreichend deutlicher Hinweis, dass das Kapital aufgezehrt werden kann und dass dadurch festgelegte Auszahlungen nicht gesichert sind. 

Allerdings müssen die Unterinstanzen noch der Behauptung nachgehen, der Vermittler habe dem Konsumenten klar erläutert, dass die in der Polizze vorgesehenen Auszahlungen nur gegen die Rücknahme von Anteilen geleistet werden. Die Unterinstanz wird diese Frage daher noch zu prüfen haben. 

Ansprüche auf Erfüllung der in der Polizze vorgesehenen Auszahlungen sind nach dem BGH aber jedenfalls nicht verjährt. 

Hinsichtlich der Schadenersatzansprüche verweist der BGH darauf, dass die Versicherung in mehrfacher Hinsicht Aufklärungspflichten verletzt hat. Zwar handelt es sich bei dem beim Abschluss tätigen Vermittlern um selbständige Vermittler, dennoch sind diese der Versicherung nach § 278 BGB zuzurechnen, da sie insbesondere jene Aufklärungspflichten zu erfüllen hatten, welche eigentlich dem Versicherer obliegen. 

Beim vorliegenden Produkt handelt es sich um ein Anlagegeschäft, der Versicherer musste daher über alle Nachteile und Risken aufklären. Tatsächlich wurde aber bereits eine zu positive Renditeerwartung geweckt, indem eine Durchschnittsrendite von 8,5 % als realistisch dargestellt wurde. Diese Rendite scheint u.a. in unverbindlichen Musterberechnungen der Versicherung auf. Tatsächlich hat die Versicherung selbst allerdings nur eine Wertentwicklung von 6 % als gerechtfertigt angesehen. 

Auch ein Hinweis auf das Glättungsverfahren ("smoothing") erfolgte nicht. Durch das Glättungsverfahren wird nur ein Teil der tatsächlich erzielten Rendite an die Anleger weitergegeben, der Rest wird in Rücklagen überführt. Der Umfang der Reservenbildung unterliegt dem Ermessen der Versicherung. 

Ebenso erfolgte kein Hinweis auf eine poolübergreifende Reservenbildung, wodurch es zur Quersubventionierung kommen kann. 

Dem Konsumenten ist daher durch den Erwerb diese Veranlagung ein Schaden entstanden. Er muss die Darlehensverträge weiter bedienen und die Darlehen nach deren Ende zurückzahlen. Dazu muss er entweder die neben den Lebensversicherungen angesparten Investmentfonds verwenden oder außerplanmäßige Auszahlungen aus den Lebensversicherungen beantragen. Auch die langfristige Gewinnerwartung ist enttäuscht. 

Auch derartige Schadenersatzansprüche sind nicht verjährt, der Konsument hatte nämlich weder bei Abschluss der Versicherungen noch im Jahr 2005 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen. 

Die Unterinstanz muss daher auch die Frage der Schadenersatzansprüche nochmals aufgreifen. 

Ähnliche Entscheidungen finden sich etwa auch in folgenden aktuellen Urteilen des BGH: 
BGH 11.7.2012, IV ZR 164/11 und BGH 11.7.2012, IV ZR 122/11. 

BGH: Mitteilung der Pressestelle Nr. 110/2012
BGH 11.7.2012, IV ZR 151/11

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