Zum Inhalt

Urteil: AMIS: OLG bestätigt Schadenersatzansprüche gegen die Republik

OLG Wien bestätigt Urteil des Erstgerichts: Republik Österreich haftet für Schäden der Anleger, die aus den Malversationen des Finanzdienstleisters AMIS entstanden sind.

Geschädigte Anleger machten Schadenersatzansprüche in einem Amtshaftungsverfahren geltend. Die zuständigen Aufsichtsbehörden Bundeswertpapieraufsicht (BWA; nunmehr Finanzmarktaufsicht FMA) hätte ihre Aufsichtspflicht verletzt, das habe zu Schäden für die Anleger geführt. Das OLG Wien bestätigt nun die Pflichtverletzungen und spricht den Klägern Schadenersatzansprüche gegen die Republik Österreich zu.

Der OGH hatte in 1 Ob 187/08v und 1 Ob 232/08m dem Erstgericht in diesem Amtshaftungsverfahren im Jahr 2008 Ergänzungsaufträge hinsichtlich der Beweisverfahren gestellt: Der OGH hatte Feststellungen vermisst, 1. wie die "redemptions" (Rückkäufe von Fondsanteilsscheinen) konkret bewerkstelligt wurden, 2. ob die Investitionen in von verbundenen Gesellschaften emittierte Finanzanlagen erkennbar waren, 3. wie die Beteiligung an den Luxemburgischen Fonds über einen Treuhänder erfolgte und ob diese Beteiligungssituation erkennbar war bzw 4. ob und wie auf die Schreiben eines Rechtsanwaltes - der auf zahlreiche Missstände aufmerksam machte - von den Aufsichtsbehören reagiert wurde.

Das Erstgericht holte diese Feststellungen nach und stellte fest, dass dann, wenn die BWA die im konkreten Fall gebotenen Maßnahmen gesetzt hätte (dh weitere Ermittlungen auf Grund der Ergebnisse einer Vor-Ort-Prüfung bei AMIS im Mai 1999 durchgeführt und entsprechende Maßnahmen gesetzt hätte), der Schaden der Kläger zur Gänze hätte verhindert werden können.

Das Berufungsgericht bestätigte im Wesentlichen die Entscheidung des Erstgerichts: Weder nahm das OLG Verfahrensmängel betr dem Gutachter, auf dessen Gutachten das Erstgericht im Wesentlichen Bezug genommen hatte, ernst. Auch ließ das Gericht die von Seiten der Finanzprokurator vorgebrachten Tatsachenrügen nicht gelten: Vielfach verweist das Gericht dabei auf Feststellungen im Strafverfahren, etwa dass die Höhe der von AMIS bezahlten Vertriebsprovisionen eine Auffälligkeit gewesen sei, die nicht branchenüblich war. Dies sei ua ein Umstand, der der Aufsichtsbehörde hätte auffallen müssen. Das AMIS-Gebührenmodell wies eine offensichtliche Gebühren-Asymmetrie auf, aufgrund derer das AMIS-Geschäftsmodell von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, was ein Börsenkundiger leicht erkennen hätte können. Dem Argument des "gelungenen Verschleierns" der AMIS-Verantwortlichen, auf das sich die Republik beruft, hält das Gericht entgegen, "dass jedenfalls die Aufsichtsorgane der Beklagten (Republik) als "Börsekundige" anzusehen sind, denen bei der gebotenen ex ante-Betrachtung die Asymmetrie des AMIS-Gebührenmodells leicht erkennbar gewesen sein musste, weshalb sie dann auch das zu Verschleierungszwecken angewandte "Factoring-System" hinterfragen hätte müssen.

Den Organen der Aufsichtsbehörde seien ja auch Gesetzesverstöße mehrfach aufgefallen, sie hatten diese gerügt und von AMIS die Abstellung gefordert. Die Ergebnisse der Vor-Ort-Prüfung 1999 bei AMIS enthielten eindeutige Anzeichen dafür, dass ein latentes Veruntreuungsrisiko bestand, das sich später auch verwirklichte. Es wurde von der Aufsichtsbehörde auch eine Stellungnahme von AMIS eingeholt, aber man gab "sich festgestelltermaßen mit den unzureichenden und unvollständigen Auskünften zufrieden". Die bloße Löschung des AMV-Kontos bei der RLB NÖ/Wien (auf dem die Anlegergelder gehalten wurden) war "allein nicht geeignet, um die Gefahren, die aus der Verletzung des gesetzlich normierten Trennungsprinzips durch AMIS entstanden waren, zu beseitigen. Denn bei korrekter Vorgehensweise hätte die Behörde aufgrund der Verdachtsmomente eingehend prüfen und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen müssen. Somit hat die rechtswidrige Unterlassung der Behörde adäquat den bei den Klägern eingetretenen Schaden verursacht. Die Republik sei somit - so nun auch das OLG - gegenüber den AnlegerInnen schadenersatzpflichtig. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

OLG Wien 2.5.2011, 14 R 36/11h
Klagevertreter Dr. Benedikt Wallner, RA in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht abgelehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Unzulässige Klausel zum Pensionswahlrecht

Der VKI unterstützte – im Auftrag des BMSGPK – erfolgreich einen Konsumenten, der bei der Generali Versicherungs AG eine Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen hatte.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Zum Seitenanfang