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Urteil: Trickdiebstahl und Bankomatmissbrauch - Keine Haftung für Kunden

Wird in einem Bankfoyer die Bankomatkarte durch professionelles Ablenken entwendet und der PIN-Code trotz Abdecken der Tatstatur ausgespäht, haften Konsumenten mangels Sorgfaltsverstoß nicht für die missbräuchlich behobenen Beträge.

Im April 2007 wollte eine Konsumentin im Foyer ihrer Bank am Geldausgabeautomaten Geld beheben. Nachdem sie die Karte in den Automaten eingeführt hatte kam ein Mann von hinten, griff ihr über die Schulter und hielt seine Brieftasche vor das Display. Gleichzeitig sprach er die Konsumentin an und betätigte unbemerkt die Abbruchtaste. Während auf dem Bildschirm das Feld "Vorgang auf Ihren Wunsch abgebrochen" aufleuchtete verdeckte er diesen weiterhin und sprach auf die Konsumentin ein. Nach 15 Sekunden erscheint auf dem Bildschirm die Meldung "Bitte entnehmen Sie die Karte", eine Sekunde später wird die Karte ausgegeben. Zu diesem Zeitpunkt lenkte der Täter die Konsumentin immer noch ab und entnahm die Karte aus dem Kartenausgabeschlitz. Als der Täter einige Tasten auf dem Gerät betätigte wies ihn die Konsumentin weg.

Der Geldausgabeautomat zeigte danach den ursprünglichen Bildschirm an. Die Konsumentin gab ihren PIN-Code ein und deckte dabei das Eingabefeld mit ihrem Körper ab, der Täter konnte aber dennoch den PIN-Code ausspähen. Danach betätigte die Konsumentin den Abbruchknopf. Als die Karte nicht ausgeben wurde war sie der Meinung, dass der Automat die Karte eingezogen hätte.
Kurz danach betrat ein zweiter Mann das Foyer, erhielt vom Ersttäter die Karte und behob damit € 3.000,-- vom Konto der Konsumentin.

Die Bank lehnte eine Rückbuchung des missbräuchlich behobenen Betrages ab, der VKI klagte daraufhin im Auftrag des BMSK die Bank.

Das BGHS Wien verweist auf die Haftungsregelung für den Kartenmissbrauch in den Kundenrichtlinien. Demnach trägt der Kontoinhaber die Folgen der missbräuchlichen Verwendung sofern Dritte infolge einer Sorgfaltswidrigkeit des Karteninhabers Kenntnis vom PIN-Code erlangen.

Das Gericht sieht im Verhalten der Konsumentin keinen Sorgfaltsverstoß. Der Konsumentin kann zunächst auf Grund des äußerst professionellen Vorgehens der Täter kein Vorwurf gemacht werden, dass sie das Wegnehmen der Karte nicht bemerkte. Die Betätigung der Abbruchtaste war nicht einmal auf dem Überwachungsvideo ersichtlich. Zudem wurde die Konsumentin äußerst geschickt mit Geldscheinen und Verdecken des Gerätes abgelenkt.

Nach dem Zurücktreten des Täters durfte die Konsumentin davon ausgehen, dass sie die Geldbehebung nunmehr ungefährdet durchführen konnte. Es gibt keine Sorgfaltspflicht, wonach dem Kunden die genaue Abfolge der Bildschirmanzeigen bekannt sein muss. Die Konsumentin war daher nur gehalten, normale Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Durch Verdecken des Eingabefeldes mit ihrem Körper bei gleichzeitiger Deckung von links durch den anderen Geldausgabeautomaten hat sie diese Sorgfaltspflicht erfüllt.

Die Konsumentin haftet mangels Sorgfaltswidrigkeit daher nicht für die Nachteile aus der missbräuchlichen Verwendung der Karte. Die Bank hat den missbräuchlich behobenen Betrag von € 3.000,-- zu ersetzen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

BGHS Wien 4.3.2008, 9 C 912/07v
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Klagevertreter: Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG, Wien

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