Zum Inhalt

Urteil: OGH im Zinsenstreit - Erkundigungsobliegenheit nicht überspannen

Der OGH nahm in einer Entscheidung über eine Zinsanpassungsklausel erneut Stellung zu unzulässigen Parametern und zum Beginn der Verjährungsfrist von Schadenersatzansprüchen des Kreditnehmers.

Im konkreten Fall wurde folgende Zinsenklausel vereinbart: "Eine Änderung der Konditionen bleibt vorbehalten, wobei eine Erhöhung des ... Zinsfußes von uns nach Maßgabe von Erhöhungen des von der Österreichischen Nationalbank festgesetzten Diskontsatzes oder Lombardsatzes, oder von Erhöhungen des gewichteten durchschnittlichen Normalzinssatzes ... vorgenommen werden kann."

Wenn ein zur Zinsanpassung vorgesehener Parameter, wie im gegebenen Fall der durchschnittliche Normalzinssatz, nicht das Erfordernis der Bestimmtheit erfüllt und/oder vom Willen des Unternehmers abhängt, und damit gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstößt, ist die gegenständliche Klausel nichtig. Infolge des unzweifelhaften Willens der Parteien, keinen Fixzinssatz zu vereinbaren, scheidet aber der ersatzlose Wegfall der gesamten Zinsanpassungsklausel aus. Es ist zunächst auf den hypothetischen Parteiwillen Bedacht zu nehmen. Dabei können im vorliegenden Fall die Parameter "Diskontsatz" und "Lombardsatz" gegebenenfalls Berücksichtigung finden. Bei der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung ist sicherzustellen, dass die Zinsanpassungsklausel die Bank nicht einseitig begünstigt, sondern vielmehr eine Anpassungssymmetrie vorliegt. Die Suche nach einer angemessenen Regelung hat sich daran zu orientieren, was redliche und vernünftige Parteien bei angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Parteien vereinbart hätten.

Hinsichtlich der Frage des Verjährungsbeginns des Schadenersatzes verwarf der OGH ausdrücklich die Rechtsansichten der Vorinstanzen, dass dem Kreditnehmer bereits bei vollständiger, den Vorgaben des Kreditgebers entsprechender Abstattung des Kredites Schaden und Schädiger bekannt hätten sein müssen. Erneut hat der OGH ausgesprochen, dass die Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten nicht überspannt werden darf (1 Ob 68/05i, 7 Ob 93/02f). Der Kreditnehmer kann der Bank vertrauen, dass keine nach der Rechtslage unzweifelhaft nichtige Vertragsklausel vereinbart wird. Erst wenn der Kreditnehmer Verdachtsmomente hat, aus denen er schließen kann, dass diese Verhaltenspflicht von der Bank nicht eingehalten worden sein könnte, ist von ihm zu verlangen, dass er Maßnahmen setzt, um das Verhalten der Bank zu kontrollieren. Es ist konkret festzustellen, wann der Kreditnehmer von Verdachtsmomenten, dass der Kreditgeber ihm bei der Abrechnung seines Kreditvertrages einen Schaden zugefügt haben könnte, Kenntnis hatte bzw bei Einhaltung seiner Erkundigungsobliegenheit aufgrund von verdichteten Medieninformationen Kenntnis hätte haben müssen. Vor diesem Zeitpunkt kann eine Verletzung der den Kreditnehmer treffenden Obliegenheit, Erkundigungen bzw fachlichen Rat einzuholen, nicht angenommen werden (10 Ob 23/04m, 1 Ob 68/05i).

Im konkreten Verfahren waren die Feststellungen des Erstgerichts zur Verdachtslage unbestimmt und nicht geeignet, den Beginn der Verjährungsfrist des Schadenersatzanspruchs verlässlich zu beurteilen. Der OGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

OGH 25.01.2006, 7 Ob 204/05h
Klagevertreter: Dr. Andreas A. Lintl

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht abgelehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Unzulässige Klausel zum Pensionswahlrecht

Der VKI unterstützte – im Auftrag des BMSGPK – erfolgreich einen Konsumenten, der bei der Generali Versicherungs AG eine Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen hatte.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Zum Seitenanfang