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Von Postdienstleister gesammelte Affinitäten unterliegen dem DSGVO-Schutz

Der Oberste Gerichtshof beurteilt Wahrscheinlichkeitsaussagen wie zB über die Parteiaffinität als personenbezogene Daten, auch wenn diese Betroffenen lediglich anhand von soziodemographischen Statistiken „zugeschrieben“ wurden.

Ein Verbraucher machte beim in Österreich landesweit führenden Postdienstleister sein datenschutzrechtliches Auskunftsrecht geltend. Der Postdienstleister ist auch als Adressverlag und Direktmarketingunternehmen tätigt und verkauft in Ausübung dieses Gewerbes Verbraucherdaten an Werbetreibende. Die erteilte Auskunft beinhaltete Wahrscheinlichkeitsangaben über z.B. die Bioaffinität oder Investmentaffinität des Verbrauchers. Der Postdienstleister betrachtet diese Affinitäten nicht als personenbezogene Daten. Es handle sich dabei um Wahrscheinlichkeitsangaben, die anhand von soziodemographischen Umständen (Alter, Wohnort, Bildungsgrad udgl) einer Person zugeordnet werden. Diese anonymen, abstrakten Durchschnittswerte werden Verbrauchern lediglich „zugeschrieben“, treffen laut dem Postdienstleister jedoch keine Aussagen über eine bestimmte Person, weshalb sie nicht als personenbezogene Daten einzustufen seien. 

Der OGH hat nun festgestellt, dass die genannten Affinitäten der DSGVO unterliegen. Es handelt sich dabei um Vorlieben und Einstellungen, die dem Verbraucher direkt zugeordnet werden. Ob diese Einschätzungen zutreffend sind, ist unerheblich. Auch dass die Daten (lediglich) über statistische Wahrscheinlichkeiten errechnet werden, ändert nichts am Vorliegen personenbezogener Daten. Die Auffassung, dass es sich bei Marketinginformationen und -klassifikationen nicht um personenbezogene Daten handelt, wird vom OGH nicht geteilt, zumal es dem nationalen Gesetzgeber nicht zusteht, den Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung derart einzuschränken. Der OGH verweist ebenfalls auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.11.2020 (W258 2217446-1), in der konkret die Parteiaffinität als personenbezogene Information beurteilt wurde.

Weiters geht der OGH noch auf die gewerberechtliche Ermächtigung der Adressverlage und Direktmarketingunternehmer ein. Diese dürfen laut Gewerbeordnung erhobene bzw ermittelte Marketinginformationen bzw -klassifikationen unter gewissen Voraussetzungen an Dritte übermitteln (§ 151 Abs 6 GewO). Der OGH stellt nun fest, dass sich diese Bestimmung nicht auf von Dritten erhaltene Daten bezieht, weil diese nicht selbst von Adressverlagen und Direktmarketingunternehmer für Marketingzwecke „erhoben“ wurden. Eine Umgehung von Datenübermittlungen unter Zwischenschaltung eines Adressverlags oder Direktmarketingunternehmens ohne Zustimmung des Betroffenen ist folglich nicht möglich.

 

OGH 18.02.2021, 6 Ob 127/20z
Das Urteil im Volltext.

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