Zum Inhalt

VKI-Klarstellungen gegen "Nebelwürfe" rund um Sammelklage gegen AWD

Beschluss des Handelsgerichtes ist nicht anfechtbar und Ansprüche der Geschädigten im Rahmen der Sammelklage gegen Verjährung sicher.

Seit Bekanntwerden der Zulassung der Sammelklage des Vereines für Konsumenteninformation (VKI) gegen den AWD durch das Handelsgericht Wien haben sich verschiedene Stimmen zu Wort gemeldet, die geeignet sind, für Verwirrung zu sorgen. Der VKI tritt diesen Behauptungen wie folgt entgegen:

1. Seitens des Anwaltes des AWD wurde angekündigt, den Beschluss des Handelsgerichtes anfechten zu wollen. Dazu werde der AWD durch die Begründung des Beschlusses geradezu aufgefordert. Der Beschluss (auf www.verbraucherrecht.at im Volltext veröffentlicht) geht eindeutig davon aus, dass das Gericht über die sachliche Zuständigkeit entschieden hat und diese bejaht. Ein solcher Beschluss ist nach § 45 Jurisdiktionsnorm unanfechtbar. Wenn der AWD dennoch Rekurs erhebt, wird das Oberlandesgericht zunächst die Zulässigkeit des Rekurses prüfen. "Ich gehe davon aus, dass der Rekurs im Lichte der klaren Rechtslage zurückgewiesen werden wird", sagt Dr. Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im VKI.

2. Ex-Justizminister Böhmdorfer ging in der ZiB 2 davon aus, dass der Beschluss des HG Wien nicht zugänglich sei. Das ist unrichtig. Der Beschluss ist auf www.verbraucherrecht.at für jedermann einsehbar.

3. Im aktuellen FORMAT meint Rechtsanwalt Dr. Meinhard Novak, "die Sammelklage nicht zu gewinnen und Einzelansprüche verjähren zu lassen" liege nicht im Anlegerinteresse. Er geht davon aus, dass das Gericht den Vorwurf der "systematischen Fehlberatung" verwerfen könnte und deshalb die Sammelklage abgewiesen würde. Auch dieser Ablauf entspricht nicht der geplanten - im genannten Beschluss skizzierten - prozessökonomischen Prüfung der Vorwürfe. Der Richter wird sich zunächst mit den generellen Vorwürfen und Einwendungen des AWD befassen und sodann alle Einzelansprüche prüfen; dieser Einzelprüfung kann auch eine Trennung der Verfahren vorangehen. "Unsere Vorgangsweise zielt darauf ab, dass die Einzelansprüche im Lichte der Beweisergebnisse zum Vorwurf der systematischen Fehlberatung geprüft werden. Diese können dabei, weil ja gerichtlich geltend gemacht, auch nicht verjähren", stellt Dr. Peter Kolba klar.

4. In rechtlicher Hinsicht spreche viel gegen die Zulässigkeit der Sammelklage gegen den AWD. Dr. Novak unterlässt es, sich mit der Begründung des Handelsgerichtes für die Zulassung der Sammelklage auch nur im Ansatz zu beschäftigen. Er erweckt den Eindruck, die Sammelklage wäre in diesem Fall besonders umstritten. Das ist gerade nicht der Fall: Angesehene Experten des österreichischen Zivilprozessrechtes - wie Frau Ass.-Univ.Prof. Frauenberger-Pfeiler (Universität Wien) und insbesondere auch Univ. Prof. Oberhammer (Universität Zürich) - teilen die Ansicht des HG Wien zur Zulässigkeit der Sammelklage.

5. Novak unterstellt der Entscheidung des HG Wien, zu einer Amerikanisierung der Verhältnisse beizutragen und dem VKI, "Strafschadenersatz" (= hohe Schadenersatzbeträge ohne Relation zu den realen Schäden der Geschädigten) zu fordern. Das ist ebenfalls grob unrichtig. Der Schadenersatz in den Sammelklagen bemisst sich exakt an den Schäden der Anleger. Die Höhe von 30 Millionen Euro resultiert daraus, dass vielen Anlegern von den AWD Beratern empfohlen worden war, das gesamte Vermögen auf Immofinanz zu setzen.

6. Rechtsanwalt Novak nennt die Sammelklage des VKI (oder gar die Entscheidung des HG Wien?) einen "gerichtlichen Blindflug" und fordert den Gesetzgeber auf, dies zu beenden. Die "Sammelklage nach österreichischem Recht" ist eine - wenn auch taugliche - Krücke, um die Defizite der Zivilprozessordnung bei Massenschäden zu überwinden. Im Justizausschuss haben alle Parlamentsparteien 2005 beschlossen, das Justizministerium möge einen Entwurf für eine Gruppenklage erarbeiten. Dieser Entwurf liegt seit 2007 vor - in Kraft getreten ist er bislang noch nicht.

7. Eine Rückfrage beim österreichischen Kartellanwalt hat im Übrigen ergeben, dass dort in keiner Weise ein Verfahren rund um Prozessfinanzierer anhängig oder geplant sei.

Der "alte AWD" versucht also weiter sich einer gerichtlichen Überprüfung der Vorwürfe des VKI, wonach eine "systematische Fehlberatung" vorliegt, mit allen Mitteln zu entziehen. Dazu gehört auch, dass der AWD immer dann, wenn es in Einzelverfahren eng wird, einen Vergleich anbietet, der aber - das ist die Voraussetzung für den Abschluss - geheim zu halten ist. "Hier waren nicht nur schwarze Schafe tätig, sondern die Fehlberatung hatte System", hält Dr. Kolba fest. "Dieses System ist nur im Wege der Sammelklage aufzuarbeiten und das nützt allen Geschädigten. Wir werden daher den eingeschlagenen Weg unbeirrt fortsetzen und zu Ende gehen."

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht ablehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Urteil zur vorzeitigen Kreditrückzahlung

Der VKI führt im Auftrag des Sozialministeriums ein Verfahren gegen die Unicredit Bank Austria AG. Es geht in dem Verfahren um die Frage, ob bei vorzeitiger Kreditrückzahlung auch die laufzeitunabhängigen Kosten anteilig zurückerstattet werden müssen und ob dies auch für die Rechtslage vor dem 1.1.2021 gilt. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien gab dem VKI Recht und bestätigte, dass auch nach der alten Rechtslage bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nicht nur die laufzeitabhängigen Kosten, sondern auch die laufzeitunabhängigen Kosten anteilig von der Bank zurückzuerstatten sind. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

VKI-Erfolg gegen Online-Broker DEGIRO

DEGIRO B.V. ist ein international tätiger Web-Trader mit Sitz in den Niederlanden, der auf „degiro.at“ eine Online-Trading-Plattform anbietet, über die Kundinnen und Kunden Wertpapiere erwerben können. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums DEGIRO wegen diverser Klauseln in den Geschäftsbedingungen geklagt. Nachdem bereits das Handelsgericht Wien und das Oberlandesgericht Wien dutzende Klauseln als unzulässig beurteilt haben, liegt nun die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) vor: Das Höchstgericht erachtet 48 Klauseln als gesetzwidrig.

Zum Seitenanfang