Zum Inhalt

Urteil: VfGH: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen VKI-Verbandsverfahren

Der VKI führt im Auftrag des Sozialministeriums eine Verbandsklage gegen die Energievertrieb GmbH & Co KG (EVN). Das Landesgericht Wiener Neustadt gab dem VKI in 1.Instanz recht und beurteilte eine Klausel als nichtig, die Preiserhöhungen unbeschränkt zulässt. Daraufhin erhob die EVN Berufung gegen das Urteil und stellte zusätzlich beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) den Antrag die Bestimmung, die ua den VKI zur Verbandsklage auf Unterlassung von gesetzwidrigen Klauseln berechtigt, als verfassungswidrig aufzuheben. Der Antrag der EVN wurde vom VfGH abgewiesen. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Verbandsverfahren.

Die EVN zog in ihrem Antrag an den VfGH das Nebeneinander von behördlicher Vorabkontrolle einerseits und gerichtlicher Kontrolle im Rahmen der Verbandsklage andererseits in Zweifel und beantragte beim VfGH die Bestimmung, die ua den VKI zur Verbandsklage berechtigt (§ 28 Abs 1 KSchG), im nötigen Umfang als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Rechtslage rund um das Verbandsverfahren steht jedoch - wie der VfGH ausführt - im Einklang mit Art 94 Abs 1 und Art 83 Abs 2 B-VG und den vom Verfassungsgerichtshof hiezu entwickelten Anforderungen. Der VfGH erkannte, dass die Regulierungsbehörde und die ordentliche Gerichte nicht über dieselbe Rechtssache entscheiden:

Gemäß § 80 Abs 1 ElWOG 2010 haben Versorger für die Belieferung mit elektrischer Energie für Kunden, deren Verbrauch nicht über einen Lastprofilzähler gemessen wird, AGB zu erstellen. In vergleichbarer Weise ordnet § 125 Abs 1 GWG 2011 an, dass Erdgashändler und Versorger für die Belieferung mit Erdgas für Kunden, deren Verbrauch nicht mit einem Lastprofilzähler gemessen wird, AGB zu erstellen haben. Diese AGB sowie deren Änderungen sind der Regulierungsbehörde bereits vor ihrem Inkrafttreten in elektronischer Form anzuzeigen und in geeigneter Form zu veröffentlichen. § 12 Abs 1 Z 4 E-ControlG ordnet in Ergänzung zu diesen Vorschriften an, dass die Regulierungsbehörde - auf Grund der genannten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen erstellte - Klauseln zu untersagen hat, soweit sie gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen.

Die privatrechtliche Verbandsklage gemäß §§ 28 ff KSchG stellt demgegenüber bereits ihrem Wortlaut nach darauf ab, dass der Beklagte die inkriminierten Bedingungen im geschäftlichen Verkehr zugrunde legt, empfiehlt oder sich darauf beruft. Die inkriminierten AGB oder Vertragsformblätter müssen dementsprechend entweder tatsächlich verwendet werden oder es muss ihre Verwendung zumindest unmittelbar bevorstehen (vgl. OGH 27.1.1999, 7 Ob 170/98w). Die Verbandsklage hat dementsprechend zwar nicht konkrete zivilrechtliche Ansprüche einzelner Verbraucher zum Inhalt, setzt jedoch die tatsächliche oder bevorstehende Verwendung der Bedingungen im rechtsgeschäftlichen Verkehr voraus. Sie antizipiert damit die individuellen Ansprüche der konkret betroffenen Verbraucher.

Die von der Regulierungsbehörde einerseits und den ordentlichen Gerichten andererseits zu entscheidenden Rechtssachen sind somit nicht identisch: Während die Behörde abstrakt und losgelöst von der konkreten Anwendung der angezeigten Bedingungen zu entscheiden hat, beurteilen die ordentlichen Gerichte die Zulässigkeit der bevorstehenden oder tatsächlichen Anwendung der Bedingungen in ihrer konkreten Erscheinungsform bzw. in ihrem konkreten Verwendungszusammenhang. Die Regulierungsbehörde und die ordentlichen Gerichte entscheiden somit zwar teilweise über dieselben abstrakten Rechtsfragen, nicht jedoch über dieselbe Rechtssache. Ein solches Nebeneinander ist für sich genommen aus verfassungsrechtlicher Sicht - wie der VfGH ausführt - nicht zu beanstanden.

Es liegt daher kein Verstoß gegen Art 94 Abs 1 B-VG vor.

Es liegt auch keine Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG vor, da die anwendbaren Rechtsvorschriften die Zuständigkeit von Regulierungsbehörde einerseits und ordentlichen Gerichten andererseits präzise festlegen. Dies gilt auch für die Prüfungskompetenzen in zeitlicher Hinsicht. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (VwGH 11.9.2013, 2012/04/0021; 11.9.2013, 2012/04/0162), ist eine behördliche Untersagung der Anwendung nur hinsichtlich noch nicht vereinbarter AGB möglich. Während der Frist des § 12 Abs 3 E-ControlG entscheidet dementsprechend nur die Behörde, danach entscheiden ausschließlich die ordentlichen Gerichte.

Zusammengefasst bestehen für den VfGH vor dem Hintergrund des Art 94 Abs 1 und des Art 83 Abs 2 B-VG daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Verbandsverfahren des § 28 Abs 1KSchG.

Der Antrag der EVN wurde vom VfGH daher - soweit er nicht als unzulässig zurückzuweisen war - abgewiesen.

VfGH 12.3.2019, G 190/2018-12

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OGH zur Verjährungsfrist bei Viehmängel

Das Gesetz sieht bei Viehmängel – abweichend von der allgemeinen Verjährungsfrist – eine kurze Frist von sechs Wochen vor. Diese kurze Frist betrifft aber nicht alle Mängel, die hier auftreten, sondern nur Krankheiten. Ihre Anwendung auf andere Mängel ist nicht gerechtfertigt.
Im konkreten Fall wurden die Tiere zwischen Kauf und Lieferung nur noch mangelhaft gefüttert, wodurch ihr Ernährungszustand am Tag der Lieferung schlecht war. Hier kommt die normale Gewährleistungsfrist zur Anwendung.

Rückerstattungsanspruch für coronabedingt vorzeitig abgebrochene Skisaison

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums erfolgreich für Konsumenten die aliquote Rückerstattung für die coronabedingt vorzeitig abgebrochene Skisaison 2019/20 ein. Dadurch wurde die vereinbarte Gültigkeit von 205 Tagen um 49 Tage bzw 24 % verkürzt. Diese 24 % vom gezahlten Preis muss die Ski amadé GmbH den Konsumenten zurückerstatten. Haben die Konsumenten in der folgenden Saison 2020/21 einen Bonus für die verkürzte Saison 2019/20 erhalten, ist dieser Betrag vom rückzuerstattenden Betrag abzuziehen.

Skigebiete im Corona-Lockdown: Anspruch auf anteilige Rückerstattung des Kartenpreises

Nachdem alle Skigebiet im Frühjahr 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie schließen mussten, verkürzte sich die Wintersaison für viele Wintersportlerinnen und Wintersportler erheblich. Viele Skigebiete weigerten sich dennoch, Besitzerinnen und Besitzern von Jahreskarten den anteiligen Preis für das vorzeitige Saisonende zurückzuzahlen. Das Landesgericht Salzburg hat jetzt einen Rückzahlungsanspruch von zwei Konsumenten bestätigt. Die Konsumenten erhalten den anteiligen Kartenpreis zurück.

Unzulässige Klauseln von Gutschein-Vermittlungsplattform

Im Verfahren der Bundesarbeiterkammer gegen die Online-Handelsplattform Jochen Schweizer GmbH wurden 19 Klauseln für unwirksam erklärt. Die Klauseln betreffen zB eine zu kurze, weil dreijährige Verfallsfrist bei Gutscheinen, umfassende Leistungsänderungsvorbehalte des Unternehmers oder und zu weite AGB-Änderungsmöglichkeiten des Unternehmers.

Unzulässige Klauseln von Ö-Ticket bei Ed-Sheeran Konzert

Der VKI hatte im Juni 2019 im Auftrag des Sozialministeriums die CTS Eventim Austria GmbH geklagt, die das Ticketservice "Ö-Ticket" betreibt. Gegenstand des Verfahrens sind Klauseln zur Personalisierung von Konzertkarten. Für bestimmte Konzerte werden die Eintrittskarten von Ö-Ticket mit dem Namen des Käufers personalisiert, auch wenn dieser mehrere Karten auf einmal erwirbt. Bei solchen Veranstaltungen wird Besuchern nur gemeinsam mit dem auf dem Ticket aufgedruckten Käufer Einlass gewährt. Eine Änderung der Personalisierung ist auch beim Kauf mehrerer Karten nur für den gesamten Auftrag möglich und Ö-Ticket verlangt dafür eine Gebühr in Höhe von 10 Euro pro Karte. Nach dem HG Wien erklärte nun auch das OLG Wien sämtliche vom VKI beanstandeten Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

Zum Seitenanfang