Eine vierköpfige Familie hatte am 16.11.2019 für 2019/2020 Saisonkarten (Erwachsene: pro Person EUR 592,--; Person unter 25 Jahre: EUR 416,--; Kind: EUR 154,--) erworben. Die Gültigkeit der Saisonkarten war vereinbarungsgemäß für den Zeitraum 12.10.2019 bis 3.5.2020 festgelegt und betrug daher 205 Tage. Wegen des COVID-19-Maßnahmengesetzes wurde am 16.3.2020 der Betrieb der zum Skiverbund Ski Amadé gehörigen Seilbahn- und Liftanlagen eingestellt und in der Wintersaison 2019/2020 nicht wieder aufgenommen.
Die beklagte Partei hat allen Saisonkartenkunden der Wintersaison 2019/2020 angeboten, auf die Wintersaisonkarte 2020/2021 einen Bonus bzw. Rabatt in der Höhe von EUR 40,00 pro Erwachsenem zu gewähren, für 15- bis 19-Jährige EUR 15,00 und für Kinder von 6 bis 14 Jahren EUR 10,00. Saisonkartenbesitzer, die ihre Karten maximal 15 Tage genutzt haben, haben (zusätzlich zum „Corona-Bonus“ für den Fall des Kaufs einer neuen Saisonkarte) Rückzahlungen zwischen EUR 50,00 und EUR 70,00 in bar erhalten.
Im konkreten Fall erwarben drei Familienmitglieder am 27.12.2020 Saisonpässe für die Saison 2020/2021. Dabei wurde der "Corona-Bonus" iHv je EUR 40,00 für die beiden Erwachsenenkarte und EUR 10,00 für die Kinderkarte in Anspruch genommen, sodass sich eine Ersparnis von EUR 90,00 für die gesamte Familie ergab.
§ 1447 ABGB regelt die nachträgliche, auf Zufall beruhende Unmöglichkeit der Leistung, welche die Vertragsparteien von ihren Leistungspflichten befreit. Die Regeln gelten auch sinngemäß für den Fall, dass die Leistung nach Vertragsschluss unerlaubt und damit rechtlich unmöglich wird. § 1447 ABGB setzt ein zufälliges Ereignis voraus, wodurch die Leistung unmöglich wird. Dazu zählen Ereignisse der höheren Gewalt, oder solche, die von außen kommen und nicht aus der Sphäre der Vertragspartner stammen, die auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhindert werden können.
Rechtliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Erbringung der Leistung durch Hoheitsakt (generell durch Gesetz oder Verordnung; individuell durch rechtskräftigen Bescheid oder rechtskräftiges Urteil) untersagt wird.
Bei Dauerschuldverhältnissen ist der Schuldner befreit, wenn er während der ganzen Dauer des Schuldverhältnisses infolge zufälliger nachträglicher Unmöglichkeit nicht leisten konnte. Soweit der Schuldner von seiner Leistung befreit ist, erlischt beim synallagmatischen Vertrag auch die Gegenleistungspflicht des Gläubigers.
Bei Dauerschuldverhältnissen, die bereits in das Abwicklungsstadium getreten sind, bewirkt die durch einen nicht zu vertretenden Zufall vorübergehende Erfüllungsunmöglichkeit (dauernde) Teilunmöglichkeit. Der Schuldner wird hinsichtlich jener Einzelleistungen, die während der Dauer der Verhinderungszeit zu erfüllen waren, befreit. Umgekehrt entfällt auch die Entgeltzahlungspflicht des Gläubigers für den Zeitraum, in dem die Leistung unmöglich ist.
Ab 16.3.2020 bis einschließlich 3.5.2020 ist die von der beklagten Partei zu bewirkende Leistung rechtlich zum Teil zufällig unmöglich geworden.
Ausgehend davon, dass die am 16.3.2020 für sämtliche Seilbahnen und Skigebiete in ganz Österreich pandemiebedingt in Kraft tretende behördliche Betriebssperre ein Ereignis der höheren Gewalt iSd § 1447 ABGB darstellte, wurde damit einerseits die beklagte Partei von der Erbringung ihrer Leistungen ab 16.3.2020 befreit. Demgegenüber ist aber auch die Entgeltzahlungspflicht des Gläubigers für den Zeitraum vom 16.3.2020 bis 3.5.2020 entfallen.
Da für die restlich verbleibende Zeit vom 16.3.2020 bis 3.5.2020 ein Leistungsaustausch im synallagmatischen Vertragsverhältnis nicht stattfinden konnte, die Konsumenten aber das Entgelt für die Saisonkarten bereits im Voraus auch für den Zeitraum ab 16.3.2020 geleistet hatten, steht den Konsumenten ein aliquoter Anspruch auf Rückersatz der bereits im Voraus erbrachten Geldleistung zu.
Unbeachtlich ist, dass es auch den Saisonkartenbesitzern ab dem 16.3.2020 aufgrund von Ausgangssperren (rechtlich) nicht mehr möglich war, die Leistungen der beklagten Partei in Anspruch zu nehmen. Ein Zufall, der sich lediglich in der Sphäre der Saisonkartenbesitzer ereignet hätte, liegt nicht vor.
Maßgeblich ist, dass die Gültigkeit der Saisonkarte für 205 Tage vereinbart war und die Nutzungsdauer in der Saison 2019/2020 um 49 Tage bzw. 24 % verkürzt wurde. Damit ergibt sich als Berechnung des Rückersatzes, dass die Saisonkarten an 49 von insgesamt 205 zugesicherten Betriebstagen nicht genutzt werden konnten, das sind 24 %. Das ergibt hier bei den Erwachsenenkarten: 142,08; bei der Person unter 25 Jahren: 99,84; beim Kind: 36,96, dh insgesamt EUR 420,96.
Eine Anrechnung der bisherigen Nutzung der Saisonkarten in der Form, dass die in Anspruch genommenen Skitage etwa mit durchschnittlichen Tageskartenpreisen berechnet werden, sodass allenfalls durch die Saisonkartenbenützer bereits mehr Leistung konsumiert wurde, als sie bezahlt hatten, hat nicht zu erfolgen. Es gibt keine Nutzung der Saisonkarte in Form einer unrechtmäßigen Bereicherung, selbst wenn die Saisonkarte (theoretisch) tatsächlich an jedem Tag der Gültigkeitsdauer genützt worden wäre.
Nicht jeder einzelne Tag einer witterungsbedingten oder betriebsbedingten Betriebsunterbrechung oder Betriebseinschränkung nach § 1447 ABGB kann sofort zu einer Anpassung des Entgelts einer Saisonkarte im Wege einer Teilunmöglichkeit führen. Eine Anpassung ist erst dann im synallagmatischen Verhältnis angebracht, wenn sich die beklagte Partei erhebliche Kosten beim Betrieb (Beförderung, Pistensicherheit, Pisteninstandhaltung) erspart und zudem noch im Ergebnis ohne Gegenleistung Zahlungen des Saisonkartenbesitzers vereinnahmt. Eine solche Anpassung ist für den Fall einer Betriebsunterbrechung von 49 Tagen jedenfalls zu bejahen.
Anrechnung des Corona-Bonus
Zu berücksichtigen ist, dass drei Familienmitglieder beim Kauf der Saisonkarten für die Wintersaison 2020/2021 den „Corona-Bonus“ iHv insgesamt EUR 90,00 in Anspruch genommen haben. Diese Entschädigungsleistung in Form des reduzierten Kartenpreises für die neue Saisonkarte ist als „Teilzahlung“ auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch anzurechnen. Im Ergebnis stehen somit der klagenden Partei als anteiliger Rückersatz gemäß § 1447 ABGB EUR 420,00 abzüglich des „Corona-Bonus“ in Höhe EUR 90,00 zu, das sind EUR 330,00.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand: 4.5.2021).
BG St. Johann i Pg 23.4.2021, 1 C 149/20w
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien
Zum News.
Anmerkung: Zum gleichen Thema gibt es auch ein rechtskräftiges Urteil des LG Salzburg (als zweite Instanz). Mehr dazu hier.