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Urteil: Rücktrittsrecht nach FAGG trotz Vereinbarung einer individuellen Anfertigung

Hat der Verbraucher bereits vor dem Anfertigen der Ware den Rücktritt gem FAGG erklärt, kommt die Ausnahmebestimmung des § 18 Abs 1 Z 3 FAGG (kein Rücktrittsrecht bei Anfertigung nach Kundenspezifikation) im Wege einer teleologischen Reduktion nicht zur Anwendung.

Die klagende Partei vertreibt und montiert Lifte in verschiedenen Modellen. Die klagende Partei bestellt die Lifte bei einer schwedischen Firma mit einer Lieferzeit von ca 8 Wochen. Am 27.8.2014 schloss die Klägerin mit der späteren Erblasserin (einer Verbraucherin) einen Vertrag über den Einbau eines Liftes für ein Privathaus ab. Mit ihrer Mahnklage vom 4.3.2015 begehrte der Klägerin in Anwendung von § 1168 ABGB von den Erben einen Teil des vereinbarten Preises. Die Erben wandten ein, dass die Erblasserin vom Vertrag gemäß § 11 FAGG fristgerecht innerhalb von 14 Tagen zurückgetreten sei.

Das LG Feldkirch als Berufungsgericht führt dazu Folgendes aus:
Auf den Vertrag ist das FAGG anzuwenden. § 18 FAGG enthält die Regelung über Ausnahmen vom Rücktrittsrecht. Nach § 18 Abs 1 Z 3 FAGG hat der Verbraucher kein Rücktrittsrecht bei Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Anfertigung nach Kundenspezifikation setzt voraus, dass Herstellung geschuldet ist, sodass vorgefertigte Waren nicht unter Z 3 fallen; sie schließt das Rücktrittsrecht aus, wenn sich die Ware dadurch von Standardprodukten erheblich unterscheidet. Bloß individuelle Auswahl, Zusammenstellung oder Entscheidung reicht nach dem Normzweck bei vorgefertigten Serienbauteilen nicht aus, zB Möbel mit Standardmaßen, wo der Kunde nur unter mehreren Varianten auswählt.

Die Beweislast für das Vorliegen einer Ausnahme nach § 18 FAGG trifft den Unternehmer. § 18 FAGG ist richtlinienkonform auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Grundsatz anerkannt, dass Ausnahmebestimmungen eng auszulegen sind.

Den Ausnahmen vom Grundsatz der Widerrufbarkeit einer Willenserklärung, die ein Verbraucher in einem Fernabsatz-Geschäft abgegeben hat, ist im Großen und Ganzen gemeinsam, dass sie Fälle der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit für den Unternehmer typisieren. Zweck der Regelung ist den Unternehmer davor zu schützen, dass der Verbraucher zurücktritt, obwohl der Unternehmer durch die Rücknahme der auf die nach den individuellen Wünschen und Anforderungen des Verbrauchers angefertigten Ware erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet.

Insgesamt soll dem Unternehmer nicht abverlangt werden, dass er seinen gewohnten Geschäftsbetrieb in "unzumutbarem" Ausmaß umgestaltet, nur um zurückgegebene Ware wiederverwerten zu können.

Ob dadurch der Lift bereits derart durch die Wünsche der Bestellerin individualisiert wird, dass er für die klagende Partei im Falle seiner Rücknahme (wirtschaftlich) wertlos bzw nur noch mit finanziellen Einbußen absetzbar wäre, kann allerdings aus folgendem Grund dahingestellt bleiben:

Es ist unstrittig, dass die Bestellung des Liftes durch die klagende Partei beim schwedischen Lieferanten gar nicht erfolgt ist und somit von der klagenden Unternehmerin insoweit keine Erfüllungshandlung gesetzt wurde. Es bedarf in diesem Fall unter Berücksichtigung der Zielsetzung der VerbraucherrechteRL einer teleologischen Reduktion der Bestimmung, weil die klagende Partei durch den bereits vor dem Anfertigen der Ware erfolgten Rücktritt keinen entsprechend zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Nachteil erlitten haben kann, der den Ausschluss des Rücktrittsrechts der Verbraucherin rechtfertigen könnte.

Die Klage wurde abgewiesen. Die Revision ist jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

LG Feldkirch 14.07.2015, 2 R 195/15i

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