Zum Inhalt

Urteil: OGH: Pneumokokken-Kampagne verstößt nicht gegen AMG

Die breit gestreuten Informationsmaßnahmen im Zuge der Pneumokokken-Kampagne aus den Jahren 2012 und 2013 stellen nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes keine unzulässige Arzneimittelwerbung dar, weil ein konkreter Impfstoff nicht ausdrücklich genannt wird.

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Österreichischen Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) sowie die Pfizer Corporation Austria GmbH wegen der nach Einschätzung des VKI unzulässigen indirekten Bewerbung des Pneumokokken-Impfstoffes Prevenar 13 im Zuge einer Pneumokokken Kampagne geklagt.

Der ÖVIH hatte Ende 2012 und Anfang 2013 mit Unterstützung von Pfizer und der Sanofi-Pasteur MSD GmbH eine "Awarenesskampagne" zum Thema Pneumokokken veranstaltet. Unter der Schlagzeile "Für Erwachsene ab 50 sind Pneumokokken Thema" gab es u.a. Inserate in Printmedien und Werbespots in Rundfunk und Fernsehen.

In den Inseraten in Printmedien war u.a. folgendes zu lesen: "Pneumokokken-Erkrankungen: Oft unterschätzte Infektionen durch Bakterien", "Besonders gefährdet sind Kleinkinder und Erwachsene ab 50 Jahren!" "Mit zunehmendem Alter wird die Abwehrkraft des Körpers schwächer. Eine Schwächung der körpereigenen Abwehrmechanismen kann zur Ausbreitung von Pneumokokken führen, wodurch Krankheiten wie Lungenentzündung, Gehirnhautentzündung oder Blutvergiftung bei Erwachsenen verursacht werden können. Das Risiko für eine Pneumokokken-Erkrankung erhöht sich ab dem Alter von 50 Jahren."

Gleichzeitig versandte der ÖVIH an Ärzte und Apotheker Informationsfolder mit der Überschrift: "Pneumokokken sind Thema für Ihre Patienten ab 50!" Im selben Zeitraum bewarb Pfizer den von ihr gegen Pneumokokken entwickelten rezeptpflichtigen Impfstoff Prevenar 13 im Zuge einer Impfaktion in der Apotheker- und der Ärztekrone. Zusätzlich übermittelte sie auch eine entsprechende Patienteninformation an ordinierende Ärzte.

In Österreich sind für Erwachsene lediglich zwei Pneumokokken-Impfstoffe zu gelassen, nämlich Prevenar 13 von Pfizer und Pneumovax 23 der Sanofi-Pasteur MSD GmbH. Im Impfplan des Gesundheitsministeriums für 2012 wurde die Empfehlung zur Impfung für Erwachsene ab dem Alter von 50 Jahren ausgesprochen.

Die AGES berichtete für 2012 für Österreich von 255 Fällen invasiver Pneumokokken-Erkrankungen bei Kindern und Erwachsenen, davon 21 Todefälle. Von den Serotypen der 143 Erkrankten über 50 Jahren wurden die Typen bei 94 Erkrankten durch Prevenar 13, bei 111 Erkrankten durch Pneumovax 23 abgedeckt.

Für die Immunisierung der Bevölkerung gegen Pneumokokken ist vor allem die Impfung bei Kindern wesentlich.

Das OLG Wien hatte in den Informationsmaßnahmen eine unzulässige Laien-Werbung für ein rezeptpflichtiges Arzneimittel gesehen, die gegen die Werbebeschänkungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) verstoße. Die Gefahr einer Pneumokokken Erkrankung ab dem 50. Lebenjahr war für das OLG Wien nämlich blickfangartig ohne Hinweis auf die statistische Wahrscheinlickeit einer Infektion und die Zulassung von Prevenar 13 (lediglich) für invasive Pneumokokkenerkrankungen herausgestellt worden. Dabei erfolgte der Hinweis auf die freundliche Unterstützung von Pfizer, während Pfizer in der Apotheker- und Ärztekrone unter Hinweis auf die Impfaktion Werbung für Prevenar 13 machte.

Für das OLG Wien war klar gewesen, dass nicht unerhebliche Teile der angesprochenen Kreise die "Informationen" dahin verstehen würden, dass sie einen Arzt oder Apotheker konsultieren sollten, der bereits Adressat der Werbemaßnahmen war, die ihrerseits nicht auf das statistische Infektionsrisiko aufmerksam machten. Das OLG Wien folgerte daher, dass die in den "Informationen" verwendeten Angaben wie z.B. "Eine Pneumokokken-Erkrankung kann ihr Leben verändern!" angesichts der verdünnten Informationslage geeignet sind, einen Kaufanreiz auszuüben, und zwar selbst unter Berücksichtigung, dass der Name des Impfstoffes erst erfragt werden muss, weil dieser Impfstoff ausreichend individualisierbar ist.

Der OGH weist demgegenüber darauf hin, dass die Inserate und die Patienteninformation sich nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel beziehen. Er weigert sich dabei die Werbung für einen konkreten Impfstoff im parallel erscheinenden Fachmedium für eine Gesambetrachtung der Werbemaßnahmen zu berücksichtigen. Demgemäß kommt der OGH zum Schluss, dass kein konkreter Kaufanreiz für den Impfstoff Prevenar geschaffen würde und somit keine unzulässige Werbung vorläge.

Der OGH sieht mangels Hinweis auf einen konkreten Impfstoff auch keine Irreführung hinsichtlich des aus Sicht des VKI unrichtigen Eindruckes, der Impfstoff Prevenar 13 sei für die Indikation von Pneumokokkenerkrankungen allgemein zugelassen.

Damit werden die strengen Werbebeschränkungen des AMG aufgeweicht und der Weg für eine indirekte Bewerbung von Arzneimitteln freigemacht.

OGH 21.10.2014, 4 Ob 96/14t
Volltextservice
Klagevertreterin: Dr. Annemarie Kosesnik-Wehrle, RA in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Irreführende Werbung von T-Mobile mit „Gratis“-Handy

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Telekommunikationsanbieter T-Mobile wegen irreführender Bewerbung der „5G-Ready“-Tarife geklagt. Der VKI beanstandete unter anderem, dass die „5G-Ready“-Tarife als Kombinationsangebot „Tarif plus Gratis-Handy“ angeboten wurden, obwohl die Grundgebühr höher war als beim Vergleichstarif ohne Handy. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien gab dem VKI nun in zweiter Instanz Recht und sah in der Bewerbung des Handys als „gratis“ einen Wettbewerbsverstoß.

Deliktsgerichtsstand: Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung

Art 7 Nr 2 EuGVVO gilt für eine Klage, die auf die Unterlassung bestimmter Verhaltensweisen im Rahmen einer Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Beklagten gerichtet ist und die darauf gestützt wird, dass der Beklagte unter Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutze.

Weiterer Erfolg bei „Garantieklauseln“ in fondsgebundenen Lebensversicherungen

Bereits Ende 2018 hatte das Handelsgericht (HG) Wien infolge eines vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) erfolgreich geführten Verbandsverfahrens eine sogenannte „Garantieklausel“, die sich in vielen fondsgebundenen Lebensversicherungen befindet, rechtskräftig für unwirksam erklärt. In einem anschließenden Musterprozess, der im Auftrag des Sozialministeriums geführt wurde, ging es um die daraus resultierenden Rechtsfolgen. Das Handelsgericht (HG) Wien gab dem VKI erneut Recht und urteilte, dass die Garantiezusage nicht durch Kostenabzüge wie Abschlusskosten oder Verwaltungskosten geschmälert werden darf.

Urteil: Schutzmaskenhersteller Silvercare wegen irreführender Werbung verurteilt

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums Klage wegen irreführender Geschäftspraktiken gegen die Silvercare GmbH, einen Schutzmaskenhersteller, eingebracht und vor dem Landesgericht (LG) Linz Recht bekommen: Die Silvercare GmbH darf die von ihr vertriebenen MNS-Masken nicht so bewerben, dass der Eindruck entsteht, sie würden den Träger gegen eine Infektion mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) schützen, obwohl die wissenschaftlichen Belege für den Schutz des Trägers nicht als gefestigt anzusehen sind. Das Urteil ist rechtskräftig.

Zum Seitenanfang