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Urteil: Haftung eines Notars für falsche Bestätigung

Ein Notar haftet als Sachverständiger, wenn er etwas Falsches bestätigt und wusste, dass diese falschen Berichte potentiellen Anlegern vorgelegt werden.

Der Beklagte erstellte unter Hinweis auf seine Eigenschaft als Notar im Auftrag einer "Veranlagungsgesellschaft", die Investments in Edelmetalle (ua Gold) anbot und sich nunmehr in Insolvenz befindet, "Prüfberichte", in denen er - unter Hinweis auf die "Durchsicht" von Lagerdepotauszügen sowie einer Liste mit Kunden- und Vertragsdaten - feststellte, dass "der Ist-Bestand an Edelmetallen, die im Besitz der Gesellschaft sind, mit dem Soll-Bestand an Edelmetallen, übereinstimmt" (Hervorhebung bereits in den Prüfberichten).

Eine physische Kontrolle der Edelmetallbestände war nicht vorgesehen und wurde vom Beklagten auch nicht durchgeführt. Ihm war bewusst, dass die Prüfberichte bei Kunden den - objektiv unrichtigen - Eindruck solcher Kontrollen erwecken können und dass die Berichte auch zur Anwerbung von Neukunden verwendet würden.

Über Vermittlung eines Vertriebspartners der Veranlagungsgesellschaft schloss der Kläger mit dieser Verträge über den Ankauf und die Verwahrung von Gold ab. Der Kläger hätte ohne die Zusicherungen der jährlichen Überprüfung durch den Notar die monatlichen Einzahlungen nicht getätigt. Wären ihm die Prüfberichte des Beklagten als unrichtig bekannt gewesen, hätte er sein Vertrauen in die Veranlagung verloren und den Vertrag gekündigt.

Gestützt auf die vom Beklagten erstellten irreführenden (unrichtigen) Prüfberichte, begehrt der Kläger von ihm den Ersatz seines durch die Veranlagung entstandenen Schadens.

Der Klage wurde stattgegeben:
Allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftungsansprüche bestehen dann, wenn ein Anleger ua durch irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewegt wird. Der potentielle Kapitalanleger muss sich grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen dürfen.

Für eine sachlich richtige und vollständige Information haben all jene Personen einzustehen, die durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen - zusätzlichen -Vertrauenstatbestand schaffen. Dazu gehören insbesondere Personen, die mit Rücksicht auf ihre allgemein anerkannte herausgehobene berufliche und wirtschaftliche Stellung oder ihre Eigenschaft als berufsmäßige Sachkenner eine Garantenstellung einnehmen.

Es handelt sich um eine Eigenhaftung des nach außen hin in Erscheinung Tretenden erga omnes, die aufgrund der Schaffung eines Vertrauenstatbestands unabhängig von der Haftung der den (Wertpapier-)Kaufvertrag oder Finanzdienstleistungsvertrag abschließenden Parteien entsteht. Als Sachverständigen trifft einen solchen "Sachkenner" darüber hinaus eine objektiv-rechtliche Sorgfaltspflicht zu Gunsten derjenigen Personen, hinsichtlich derer er damit rechnen musste, dass sein Gutachten oder seine Auskunft die Grundlage für ihre Disposition bilden würde.

Die Rechtsprechung geht bei der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung von einem umfassenden Prospektbegriff aus und stellt darauf ab, ob ein Schriftstück dem Vertrieb einer Anlage dient und generell geeignet ist, den Anlageentschluss eines potentiellen Anlegers zu beeinflussen, indem der Anschein einer ausreichenden und objektiven Anlageinformation erweckt wird.

Entscheidend ist nicht die Form einer Information, sondern ob durch diese zu einem erkennbar veranlagungsrelevanten Umstand ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Da dem Beklagten die beabsichtigte Verwendung seiner Prüfberichte durch die "Veranlagungsgesellschaft" - in Ergänzung der sonstigen Produktinformationen - (auch) zur Anwerbung von Neukunden bekannt war, hat er für die diesen gegenüber geschaffene Vertrauenslage einzustehen.

Den Beklagten traf hier als Sachverständigen auch eine objektiv-rechtliche Sorgfaltspflicht hinsichtlich seiner Prüfberichte, weil er sich mit seinem Expertenstatus und in seiner Funktion als öffentlicher Notar in den Dienst der Veranlagungsgesellschaft stellte und dieser mit seinen Prüfberichten ein - auf die Sicherheit der Veranlagung bezogenes und daher veranlagungsrelevantes - Verkaufsargument lieferte. Letztlich muss im vorliegenden Fall aber ohnehin nicht zwischen allgemeiner zivilrechtlicher Prospekthaftung und objektiv-rechtlicher Haftung als Sachverständiger unterschieden werden, weil beide Haftungsgrundlagen vor allem darauf beruhen, dass derjenige, dessen Äußerungen erkennbar die Grundlage für die Vermögensdisposition eines Dritter bilden, für eine dadurch geschaffene Vertrauenslage einzustehen hat.

Jeder, der eine besondere Tätigkeit ausübt, auch dafür einstehen muss, dass er die nötigen Fähigkeiten hat. Sachverständiger ist jeder, der eine Tätigkeit ausübt, die besondere Fähigkeiten erfordert. § 1299 ABGB gilt für alle Berufe und Geschäfte, die eine besondere Sachkenntnis und Anstrengung erfordern. Wenn der Beklagte sich dazu bekennt, die Goldbestände zu überprüfen, dann gilt für ihn dementsprechend auch eine höhere Diligenzpflicht.

Die Vorinstanzen qualifizierten die Prüfberichte als irreführend, weil darin - durch Fettdruck hervorgehoben - "festgestellt" wurde, dass der Ist-Bestand an im Besitz der Veranlagungsgesellschaft befindlichen Edelmetallen mit deren Soll-Bestand übereinstimmt, obwohl der Beklagte keine tatsächliche (physische) Kontrolle des Ist-Bestands vorgenommen hatte. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.

Die Berichte erwecken in ihrem Gesamtbild - vor allem auch durch die optischen Hervorhebungen - den Eindruck, ein öffentlicher Notar habe (regelmäßig) die tatsächlichen Edelmetallbestände (und nicht nur die in einer Liste verzeichneten [richtig:] Soll-Bestände) geprüft. Dieser Eindruck ist objektiv geeignet, einen durchschnittlichen und verständigen Anleger bei seiner Anlageentscheidung zu beeinflussen. Bei der Veranlagungsgesellschaft (und ihrer österreichischen Tochtergesellschaft) konnten keine relevanten Mengen an Edelmetallen aufgefunden werden, womit sich aber gerade jenes Anlagerisiko verwirklicht hat, vor dem die verletzte Pflicht, irreführende Angaben zur Kontrolle des tatsächlichen Edelmetallbestands zu unterlassen, schützen soll (Rechtswidrigkeitszusammenhang).

Dass der Beklagte als Notar die Übereinstimmung des Soll- mit dem Ist-Bestand bestätigte, ohne letzteren tatsächlich (physisch) überprüft zu haben, begründet eine grobe Sorgfaltswidrigkeit, zumal er sich der Irreführungseignung seiner Prüfberichte bewusst war.

Es wurde festgestellt, dass der Kläger erst aufgrund der Prüfberichte zur Investition entschlossen war, woraus sich ergibt, dass er die Veranlagung ohne diese (und die darin enthaltenen Ausführungen zur Übereinstimmung des Ist- mit dem Soll-Bestand) nicht erworben hätte (Kausalität). Dass ihm der Inhalt der Prüfberichte durch den Vertriebspartner mitgeteilt wurde und nicht feststeht, ob er diese auch selbst erhalten (und gelesen) hat, schließt die Kausalität nicht aus, weil es unerheblich ist, ob ein Anleger ein Schreiben selbst gelesen hat oder ob die darin enthaltenen Informationen vom jeweiligen Berater an den Anleger weitergegeben wurde.

Dass es dem Kläger im vorliegenden Fall nicht als Mitverschulden anzulasten sei, dass er sich die Prüfberichte nicht selbst durchlas, sondern sich auf die Wiedergabe ihres Inhalts durch den Vermögensberater verließ, begründet keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung.

OGH 24.1.2019, 6 Ob 223/18k

Das Urteil im Volltext

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