Zum Inhalt

Urteil: EuGH: Inkassobüro ist Kreditvermittler

Ob ein Inkassobüro dem Verbraucher gegenüber zur Erteilung der vorvertraglichen Informationen nach dem Verbraucherkreditgesetz verpflichtet ist, hängt davon ab, ob es an der Kreditvermittlung nur in untergeordneter Funktion als Warenlieferanten oder Dienstleistungserbringer beteiligt ist oder nicht.

Der VKI ging - im Auftrag des Sozialministeriums - gegen das Inkassobüro INKO, Inkasso GmbH vor. Das Inkassobüro schickte Konsumenten Zahlungsaufforderungen. Die Konsumenten konnten entweder binnen 3 Tagen zahlen oder die beigefügte Rückzahlungsvereinbarung samt Anerkenntnis ausfüllen. Diese Rückzahlungsvereinbarung enthielt einen neuen Tilgungsplan. Mit der Vereinbarung erkennen die Schuldner die Forderung "zuzüglich der für die Dauer der sich ergebenden Laufzeit zu errechnenden Evidenzkosten und Zinsen" an. Sie verpflichten sich, die Schuld laut Tilgungsplan in bestimmten monatlichen Teilbeträgen zu zahlen, wobei Zahlungen zuerst auf die Spesen von INKO und dann auf die Hauptforderung und die Zinsen angerechnet werden.

Im Ausgangsverfahren ging es zum einen um Klauseln dieser Rückzahlungsvereinbarung, und zum anderen um die Frage, ob das Inkassobüro im Falle einer monatlichen Rückzahlung die vorvertraglichen Informationspflichten des Verbraucherkreditgesetzes (VKrG) einzuhalten hat. Letzteres war Inhalt der Vorabentscheidungsverfahren des Europäischen Gerichtshofes (EuGH).

Der VKI brachte vor, dass es sich hierbei um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub handelt, der vom VKrG umfasst ist, sodass das Inkassobüro umfassende (vorvertragliche) Informationspflichten treffen (zB über den Sollzinssatz und den Effektivzinssatz, die Informationen über das Rücktrittsrecht und die vorzeitige Rückzahlung). Ein Zahlungsaufschub fällt nur dann in den Anwendungsbereich des VKrG, wenn er entgeltlich ist. Im Verfahren konnte nicht bewiesen werden, dass das Inkassobüro Zinsen und Spesen verrechnet, die über das hinausgehen, was den jeweiligen Gläubigern ohnehin von Gesetzes wegen zustünde, wenn diese eine Zahlung in Teilbeträgen nur faktisch duldeten.


Dem Gerichtshof der Europäischen Union wurden vom OGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Wird ein Inkassobüro, das solche Ratenvereinbarungen abschließt, wobei es für seine Tätigkeit Spesen verrechnet, die letztlich von den Schuldnern zu tragen sind, als "Kreditvermittler" iSd Art 3 lit f VerbraucherkrediteRL (2008/48/EG)?

2. Wenn Frage 1 bejaht wird:
Ist eine Ratenvereinbarung, die über Vermittlung eines Inkassobüros zwischen einem Schuldner und dessen Gläubiger geschlossen wird, eine "unentgeltliche Stundung" iSd Art 2 Abs 2 lit j der RL, die somit vom Anwendungsbereich der RL und des VKrG ausgeschlossen wäre, wenn sich der Schuldner darin lediglich zur Zahlung der offenen Forderung sowie von solchen Zinsen und Kosten verpflichtet, die er wegen seines Verzugs ohnehin aufgrund des Gesetzes - also auch ohne solche Vereinbarung - zu zahlen gehabt hätte?

Der EuGH führte dazu aus:
Frage 2: zur Unentgeltlichkeit des Zahlungsaufschubes
Eine Vereinbarung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ein, mit der ein neuer Plan für die Tilgung einer bestehenden Forderung festgelegt wird, ist ein "Kreditvertrag" ist in Art 3 lit c der RL. Aus Art 2 Abs 6 der RL ergibt sich ausdrücklich, dass die RL grundsätzlich auf Verträge anwendbar ist, mit denen Kreditgeber und Verbraucher, wenn der Verbraucher seinen Verpflichtungen aus dem ursprünglichen Kreditvertrag nicht nachgekommen ist, eine Vereinbarung über Stundungs- oder Rückzahlungsmodalitäten treffen.

Die ausgesprochen weiten Definitionen des Begriffs "Kreditvertrag" in Art 3 lit c der RL und des Begriffs "Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher" in Art 3 lit der RL tragen dem Ziel der RL, den Verbrauchern einen umfassenden Schutz zu gewährleisten, Rechnung. Eine Vereinbarung, mit der für die Erfüllung einer bestehenden Forderung neue Bedingungen festgelegt werden und der Verbraucher sich verpflichtet, nicht nur den Gesamtbetrag des Kredits zu zahlen, sondern auch Zinsen oder Kosten, die im ursprünglichen Vertrag über die Gewährung des nicht getilgten Kredits nicht vorgesehen waren, kann deshalb nicht als "unentgeltlich" iSv Art 2 Abs 2 lit j der RL angesehen werden.

Eine solche Vereinbarung, mit der sich ein Verbraucher verpflichtet, im ursprünglichen Kreditvertrag nicht vorgesehene Kosten eines Inkassobüros, hier von INKO, zu zahlen, hat keine "unentgeltliche" Stundung der Forderung iSv Art 2 Abs 2 lit j der RL zum Gegenstand. In Anbetracht des Ziels, allen Verbrauchern ein hohes Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten, gilt dies unabhängig davon, wie hoch die in einer solchen Vereinbarung festgelegten Zinsen und Kosten sind, und auch wenn sie den Betrag nicht übersteigen, der nach den nationalen Rechtsvorschriften im Fall des Zahlungsverzugs ohne eine Vereinbarung der Parteien anfallen würde.


Dh eine Vereinbarung über einen neuen Tilgungsplan, die über ein Inkassobüro zwischen einem Kreditgeber und einem säumigen Verbraucher geschlossen wird, ist nicht "unentgeltlich" iSv Art 2 Abs 2 lit j der RL, wenn sich der Verbraucher darin verpflichtet, den Gesamtbetrag des Kredits zu zahlen sowie Zinsen und Kosten, die im ursprünglichen Vertrag über die Gewährung des Kredits nicht vorgesehen waren.

Frage 2: ad Kreditvermittler
Nach Art 3 lit f der RL ist ein "Kreditvermittler" eine natürliche oder juristische Person, die nicht als Kreditgeber handelt und die in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gegen ein Entgelt, das aus einer Geldzahlung oder einem sonstigen vereinbarten wirtschaftlichen Vorteil bestehen kann, i) den Verbrauchern Kreditverträge vorstellt oder anbietet, ii) den Verbrauchern bei Vorarbeiten zum Abschluss von Kreditverträgen behilflich ist oder iii) für den Kreditgeber Kreditverträge mit den Verbrauchern abschließt (s § 2 Abs 4 VKrG).

Ein Inkassobüro wie INKO, das für einen nicht getilgten Kredit im Namen eines Kreditgebers eine Vereinbarung über einen neuen Tilgungsplan schließt, mit der sich ein Verbraucher verpflichtet, den Gesamtbetrag des Kredits sowie Zinsen und Kosten zu zahlen, ist also als "Kreditvermittler" iSv Art 3 lit f der RL einzustufen.

Verpflichtet zur Erteilung der vorvertraglichen Informationen (Art 5 der RL bzw § 6 VKrG)?
Nach Art 7 Satz 1 der RL gilt diese Verpflichtung allerdings nicht für Warenlieferanten oder Dienstleistungserbringer, die nur in untergeordneter Funktion als Kreditvermittler beteiligt sind (s § 6 Abs 8 VKrG). Dazu heißt es im 24. ErwG der RL, dass Warenlieferanten oder Dienstleistungserbringer beispielsweise als Kreditvermittler in untergeordneter Funktion angesehen werden können, wenn ihre Tätigkeit als Kreditvermittler nicht der Hauptzweck ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit ist.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob in Anbetracht sämtlicher Umstände des Ausgangsverfahrens, insbesondere des Hauptzwecks der Tätigkeit des betreffenden Kreditvermittlers, angenommen werden kann, dass er nur in untergeordneter Funktion als Kreditvermittler beteiligt ist.

Die Beantwortung dieser Frage hat jedoch keine Auswirkung auf die Einordnung als Kreditvermittler. Es heißt lediglich, dass solche Kreditvermittler, die nur in untergeordneter Funktion als Kreditvermittler beteiligt sind, nicht die Verpflichtung zur Erteilung der vorvertraglichen Informationen haben. Die übrigen Vorschriften der RL, insb Art 21 der RL, bleiben aufrecht.

Dh ein Inkassobüro, das für einen nicht getilgten Kredit im Namen des Kreditgebers einen neuen Tilgungsplan vereinbart, aber nur in untergeordneter Funktion als Kreditvermittler beteiligt ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, ist als "Kreditvermittler" iSv Art 3 lit f anzusehen, und unterliegt nicht der in den Art 5 und 6 der RL aufgestellten Verpflichtung, dem Verbraucher vorvertragliche Informationen zu erteilen.

Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien
EuGH 8.12.2016, C-127/15 (VKI/Inko)

Das Urteil im Volltext. Lesen Sie mehr: 1.Instanzliches Urteil: HG Wien 18 Cg 79/13a. 2.Instanzliches Urteil: OLG Wien 2 R 18_14b. OGH: Vorlagebeschluss.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OGH zur Verjährungsfrist bei Viehmängel

Das Gesetz sieht bei Viehmängel – abweichend von der allgemeinen Verjährungsfrist – eine kurze Frist von sechs Wochen vor. Diese kurze Frist betrifft aber nicht alle Mängel, die hier auftreten, sondern nur Krankheiten. Ihre Anwendung auf andere Mängel ist nicht gerechtfertigt.
Im konkreten Fall wurden die Tiere zwischen Kauf und Lieferung nur noch mangelhaft gefüttert, wodurch ihr Ernährungszustand am Tag der Lieferung schlecht war. Hier kommt die normale Gewährleistungsfrist zur Anwendung.

Rückerstattungsanspruch für coronabedingt vorzeitig abgebrochene Skisaison

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums erfolgreich für Konsumenten die aliquote Rückerstattung für die coronabedingt vorzeitig abgebrochene Skisaison 2019/20 ein. Dadurch wurde die vereinbarte Gültigkeit von 205 Tagen um 49 Tage bzw 24 % verkürzt. Diese 24 % vom gezahlten Preis muss die Ski amadé GmbH den Konsumenten zurückerstatten. Haben die Konsumenten in der folgenden Saison 2020/21 einen Bonus für die verkürzte Saison 2019/20 erhalten, ist dieser Betrag vom rückzuerstattenden Betrag abzuziehen.

Skigebiete im Corona-Lockdown: Anspruch auf anteilige Rückerstattung des Kartenpreises

Nachdem alle Skigebiet im Frühjahr 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie schließen mussten, verkürzte sich die Wintersaison für viele Wintersportlerinnen und Wintersportler erheblich. Viele Skigebiete weigerten sich dennoch, Besitzerinnen und Besitzern von Jahreskarten den anteiligen Preis für das vorzeitige Saisonende zurückzuzahlen. Das Landesgericht Salzburg hat jetzt einen Rückzahlungsanspruch von zwei Konsumenten bestätigt. Die Konsumenten erhalten den anteiligen Kartenpreis zurück.

Unzulässige Klauseln von Gutschein-Vermittlungsplattform

Im Verfahren der Bundesarbeiterkammer gegen die Online-Handelsplattform Jochen Schweizer GmbH wurden 19 Klauseln für unwirksam erklärt. Die Klauseln betreffen zB eine zu kurze, weil dreijährige Verfallsfrist bei Gutscheinen, umfassende Leistungsänderungsvorbehalte des Unternehmers oder und zu weite AGB-Änderungsmöglichkeiten des Unternehmers.

Unzulässige Klauseln von Ö-Ticket bei Ed-Sheeran Konzert

Der VKI hatte im Juni 2019 im Auftrag des Sozialministeriums die CTS Eventim Austria GmbH geklagt, die das Ticketservice "Ö-Ticket" betreibt. Gegenstand des Verfahrens sind Klauseln zur Personalisierung von Konzertkarten. Für bestimmte Konzerte werden die Eintrittskarten von Ö-Ticket mit dem Namen des Käufers personalisiert, auch wenn dieser mehrere Karten auf einmal erwirbt. Bei solchen Veranstaltungen wird Besuchern nur gemeinsam mit dem auf dem Ticket aufgedruckten Käufer Einlass gewährt. Eine Änderung der Personalisierung ist auch beim Kauf mehrerer Karten nur für den gesamten Auftrag möglich und Ö-Ticket verlangt dafür eine Gebühr in Höhe von 10 Euro pro Karte. Nach dem HG Wien erklärte nun auch das OLG Wien sämtliche vom VKI beanstandeten Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

Zum Seitenanfang