Zum Inhalt

Urteil: BGH - Sittenwidriges Ansprechen auf der Straße

Das OLG Wien hält die Bestimmungen der Gastwirtehaftung für Heime anwendbar und bestätigt die Unzulässigkeit von 10 weiteren Klauseln in dem Heimverträgen des Kuratorium Fortuna.

Erst kürzlich entschied der deutsche Bundesgerichtshof (BGH), dass ein gezieltes individuelles Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken grundsätzlich einen Wettbewerbsverstoß darstellt, insbesondere dann, wenn der Werbende als solcher nicht erkennbar ist.

Im konkreten Fall ging es um einen Anbieter von Pre-Selection-Telefondiensten. Dessen Mitarbeiter sollten durch das Ansprechen von Passanten auf der Straße und in Einkaufszentren neue Kunden rekrutieren.

Ein Mitbewerber erblickte darin eine nach § 1 dUWG sittenwidrige Belästigung und klagte auf Unterlassung. Die Beklagte verwies u.a. auf das den Kunden zustehende Rücktrittsrecht (in Ö - siehe § 3 KSchG), konnte den BGH damit jedoch nicht überzeugen:

Es entspreche der bislang herrschenden Meinung in dRsp und Judikatur, dass ein gezieltes individuelles Ansprechen von Personen an öffentlichen Orten grundsätzlich als wettbewerbswidrig zu erachten sei.

Im Gegensatz dazu verneinte der BGH jedoch hier, dass ein persönliches Ansprechen die Passanten in eine subjektive Zwangslage versetzen würde, der sie nur durch Eingehen auf das Angebot zu entkommen glaubten. Die beteiligten Verkehrskreise seien heute nämlich stärker als früher auf die Wahrung eigener Interessen und weniger auf die Einhaltung bestimmter Umgangsformen bedacht. Daher bestehe für den mündigen Verbraucher keine Gefahr, dass er sich durch das Angesprochenwerden auf der Straße zu einem unerwünschten Vertragsabschluß hinreißen lasse.

Unlauter sei allerdings der belästigende Eingriff in die Individualsphäre des Umworbenen und in dessen Recht, auch im öffentlichen Raum möglichst ungestört zu bleiben.

Der BGH erblickte in der einzelnen Maßnahme an sich keinen gewichtigen Eingriff, sah aber die Gefahr eines gewissen "Nachahmungsdrucks" für die Mitbewerber im Falle ihrer Zulassung. Würde eine Vielzahl von Mitbewerbern die gleiche Methode anwenden, käme es zu einer unerträglichen Belästigung der umworbenen Verbraucher.

Insbesondere läge ein wettbewerbswidriges Verhalten dann vor, wenn sich der Werbende -ohne als solcher erkennbar zu sein, einem Passanten nähert, und damit den Umstand ausnütze, dass es dem Gebot der Höflichkeit unter zivilisierten Menschen entspricht, einer fremden Person, die sich eventuell nach dem Weg erkundigen will, nicht ablehnend gegenüberzutreten.

Das Rücktrittsrecht stehe der Wettbewerbswidrigkeit nicht im Weg, habe es doch einen anderen Wertungsansatz als das UWG und beseitige es lediglich die zivilrechtlichen Folgen der möglichen Überrumpelung, nicht aber die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit wegen Belästigung.

Es seien die Grundrechte sowohl der Werbenden (Berufsausübungsfreiheit) als auch des Umworbenen (Individualsphäre) gegeneinander abzuwägen, wobei die Interessen der letzteren an einer ungestörten Privatsphäre die wirtschaftlichen Belange der Werbenden überwogen. Daher bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen ein Verbot derartiger Werbemethoden.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OGH zur Verjährungsfrist bei Viehmängel

Das Gesetz sieht bei Viehmängel – abweichend von der allgemeinen Verjährungsfrist – eine kurze Frist von sechs Wochen vor. Diese kurze Frist betrifft aber nicht alle Mängel, die hier auftreten, sondern nur Krankheiten. Ihre Anwendung auf andere Mängel ist nicht gerechtfertigt.
Im konkreten Fall wurden die Tiere zwischen Kauf und Lieferung nur noch mangelhaft gefüttert, wodurch ihr Ernährungszustand am Tag der Lieferung schlecht war. Hier kommt die normale Gewährleistungsfrist zur Anwendung.

Rückerstattungsanspruch für coronabedingt vorzeitig abgebrochene Skisaison

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums erfolgreich für Konsumenten die aliquote Rückerstattung für die coronabedingt vorzeitig abgebrochene Skisaison 2019/20 ein. Dadurch wurde die vereinbarte Gültigkeit von 205 Tagen um 49 Tage bzw 24 % verkürzt. Diese 24 % vom gezahlten Preis muss die Ski amadé GmbH den Konsumenten zurückerstatten. Haben die Konsumenten in der folgenden Saison 2020/21 einen Bonus für die verkürzte Saison 2019/20 erhalten, ist dieser Betrag vom rückzuerstattenden Betrag abzuziehen.

Skigebiete im Corona-Lockdown: Anspruch auf anteilige Rückerstattung des Kartenpreises

Nachdem alle Skigebiet im Frühjahr 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie schließen mussten, verkürzte sich die Wintersaison für viele Wintersportlerinnen und Wintersportler erheblich. Viele Skigebiete weigerten sich dennoch, Besitzerinnen und Besitzern von Jahreskarten den anteiligen Preis für das vorzeitige Saisonende zurückzuzahlen. Das Landesgericht Salzburg hat jetzt einen Rückzahlungsanspruch von zwei Konsumenten bestätigt. Die Konsumenten erhalten den anteiligen Kartenpreis zurück.

Unzulässige Klauseln von Gutschein-Vermittlungsplattform

Im Verfahren der Bundesarbeiterkammer gegen die Online-Handelsplattform Jochen Schweizer GmbH wurden 19 Klauseln für unwirksam erklärt. Die Klauseln betreffen zB eine zu kurze, weil dreijährige Verfallsfrist bei Gutscheinen, umfassende Leistungsänderungsvorbehalte des Unternehmers oder und zu weite AGB-Änderungsmöglichkeiten des Unternehmers.

Unzulässige Klauseln von Ö-Ticket bei Ed-Sheeran Konzert

Der VKI hatte im Juni 2019 im Auftrag des Sozialministeriums die CTS Eventim Austria GmbH geklagt, die das Ticketservice "Ö-Ticket" betreibt. Gegenstand des Verfahrens sind Klauseln zur Personalisierung von Konzertkarten. Für bestimmte Konzerte werden die Eintrittskarten von Ö-Ticket mit dem Namen des Käufers personalisiert, auch wenn dieser mehrere Karten auf einmal erwirbt. Bei solchen Veranstaltungen wird Besuchern nur gemeinsam mit dem auf dem Ticket aufgedruckten Käufer Einlass gewährt. Eine Änderung der Personalisierung ist auch beim Kauf mehrerer Karten nur für den gesamten Auftrag möglich und Ö-Ticket verlangt dafür eine Gebühr in Höhe von 10 Euro pro Karte. Nach dem HG Wien erklärte nun auch das OLG Wien sämtliche vom VKI beanstandeten Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

Zum Seitenanfang