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PIP-Brustimplantate - 70 Österreicherinnen fordern von der Allianz Versicherung in Paris rund 700.000 Euro Schadenersatz

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) in Wien hat - im Auftrag des österreichischen Konsumentenschutzministeriums - 70 Fälle von Frauen gesammelt, die sich durch fehlerhafte Brustimplantate der französischen Firma PIP geschädigt sehen. Sei es, dass die Implantate undicht waren und ausgetauscht werden mussten, sei es, dass der jeweilige Operateur wegen der Produktgefahren zu einem raschen Austausch rät. In jedem Fall haben die Frauen in Durchschnitt einen Schaden in Höhe von jeweils rund 10.000 Euro erlitten. Der VKI verlangt nun von der französischen Haftpflichtversicherung der Firma PIP, der Allianz Versicherung in Paris, den Ausgleich dieser Schäden. Gestern wurden in Paris - mit Unterstützung des VKI - von Mag. Sigrid PREISSL von der Anwaltskanzlei DIZIER & BOURAYNE drei Musterklagen gegen die Allianz Versicherung vor dem Landesgericht ("Tribunal de Grande Instance") in Paris zugestellt. In den nächsten Tagen werden sich alle 70 Geschädigte den anhängigen Strafverfahren gegen PIP und seine leitenden Mitarbeiter anschließen.

Der Hersteller von Brustimplantaten PIP verwendete für seine Implantate offenbar billiges Industriesilikon. Die Folgen für tausende Frauen in der ganzen Welt sind zum einen platzende Implantate und Entzündungen, die einen raschen Austausch erfordern, zum anderen warnen viele amtliche Stellen auch vor möglichen Folgeschäden. Daher raten Operateure auch ohne akute Beschwerden zum raschen Austausch. Die betroffenen Frauen müssen also weitere Operationskosten, weitere Schmerzen und auch Ängste vor Folgeschäden in Kauf nehmen. 

Diese Schäden aus einem fehlerhaften Produkt könnten sie gegen den Hersteller geltend machen. Doch PIP ist insolvent und ein Ersatz daher höchst unwahrscheinlich. Gegen PIP und leitende Mitarbeiter sind des weiteren Strafverfahren in Frankreich anhängig. 

PIP hatte - von 2005-2010 - die Allianz Versicherung als Haftpflichtversicherer. Gegen diesen haben die Frauen - nach französischem Recht - einen direkt klagbaren Anspruch. 

Die Versicherung erhebt allerdings einige sehr generelle Einwendungen: Wenn überhaupt, seien nur französische Betroffene vom Versicherungsschutz gedeckt, man sei selbst getäuscht worden und letztlich deshalb nicht zur Leistung verpflichtet. 

"Wir wollen diese Rechtsfragen exemplarisch vor den französischen Gerichten klären", sagt Mag. Sigrid Preissl, die französische Anwältin der geschädigten Frauen und des VKI. "Gleichzeitig werden wir die Allianz Versicherung auffordern, in den weiteren Fällen außergerichtlich auf den Einwand der Verjährung der Ansprüche zu verzichten, damit die Musterurteile in der Folge allen Geschädigten zu Gute kommen", sagt Mag. Preissl. 

Diese Vorgangsweise wird notwendig, weil eine gemeinsame Klage aller Geschädigten in Form der "Sammelklage nach österreichischem Recht" (durch Abtretung der Ansprüche an den VKI und gemeinsame Klage bei einem österreichischen Gericht) bei grenzüberschreitenden Fällen im Lichte der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Verbrauchergerichtsstand (Artikel 15 Brüssel I Verordnung) nicht möglich ist. Die Abtretung der Ansprüche an den Verband vernichtet den Vorteil des Verbrauchergerichtsstandes (= Klage im Land des Verbrauchers). 

"Die Europäische Kommission weiß seit Jahren um diese Problematik, bis heute wurde nichts unternommen, grenzüberschreitende Sammelklagen möglich zu machen", ärgert sich Dr. Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im VKI. "Daher ist der VKI gezwungen, nun erstmals Musterprozesse außerhalb Österreichs zu unterstützen, um die Rechte österreichischer Geschädigter durchzusetzen", betont Kolba.

 "In der Sache selbst hat uns die Entscheidung des Handelsgerichtes von Toulon im Rechtsstreit zwischen Allianz und PIP vom 14.6.2012 den Rücken gestärkt", ergänzt die deutsche Rechtsanwältin Sabine Hochmuth, die beim VKI die Fälle betreut. Der Versicherungsvertrag wurde darin als wirksam angesehen. "Zur Frage des territorialen Wirkungsbereiches der Polizze wird es darauf ankommen, wo die Schäden eingetreten sind. Wir gehen davon aus, das die erste Ursache für die Schäden durch die Herstellung und das Inverkehrbringen der Brustimplantate in Frankreich gesetzt wurde und daher die Allianz auch für die Schäden von Frauen verantwortlich ist, die ihren Wohnsitz nicht in Frankreich haben", ergänzt Hochmuth. 

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