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OLG Linz bestätigt: Haftung für Fehlberatung bei Fonds Holland 47

OLG Linz bestätigt Haftung der vermittelnden Bank (Volksbank Ried im Innkreis) wegen Fehlberatung bei Erwerb der Beteiligung am Holland 47 und verwirft die Berufung der bekl Bank und der CPM gegen das klagsstattgebende Urteil des LG Ried. Ähnlich hat zuvor bereits das OLG Wien in zwei rechtskräftigen Entscheidungen zu Beteiligungen am Reefer-Flottenfonds und am HCI Shipping Select 26 entschieden.

Im Anlassfall hatte der klagende Anleger nach Empfehlung und Beratung der Volksbank Ried im September 2003 eine Beteiligung am Holland 47 ("geschlossener Immobilienfonds") um EUR 20.000 gezeichnet und ein Agio iHv 5 % (EUR 1.000) gezahlt. Sein langjähriger Bankberater hatte ihm die Verkaufsbroschüre übergeben und erklärt, der investierte Betrag werde nach "+/- 10 Jahren" zurückgezahlt und bis dahin werde es - mit einer Schwankungsbreite von 6-9 % - zu jährlichen Ausschüttungen iHv 7-8 % kommen.

Der Anleger ging - nach den Feststellungen ebenso wie der Berater - fälschlich davon aus, dass es sich dabei um jährliche Zinserträge handelt. In Wahrheit handelt es sich aber um (nicht gewinngedeckte) Kapitalrückzahlungen auf die geleistete Kommanditeinlage, die zum Wiederaufleben der Außenhaftung führen.

Über das Risiko eines Totalverlusts wurde der Anleger nur schlagwortartig in Hinblick auf das Bestehen "eines unternehmerischen Risikos" aufgeklärt. Als der Anleger im Dezember 2012 einen Fernsehbeitrag zum Thema sah, wurde ihm das mit der Beteiligung einhergehende Risiko bewusst. Er klagte auf Zahlung des investierten Kapitals abzüglich der bereits erhaltenen Ausschüttungen (iHv rund EUR 9.000) und Feststellung der Haftung für künftige Schäden.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts hätte der Anleger die Beteiligung nicht gezeichnet, wenn er gewusst hätte, dass es sich bei den Ausschüttungen um keine Zinserträge, sondern rückforderbare Beträge handelt, wenn er über das Totalverlustrisiko ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre oder wenn er über die tatsächlichen Beendigungsmodalitäten bzw die Laufzeit der Investition richtig informiert worden wäre. Hinsichtlich der über die zwischengeschaltete IVS-Invest GmbH (an der die VB seinerzeit Gesellschafterin war) erhaltenen Provisionen (insgesamt iHv 6,5 %, davon weitergeleitet an die VB EUR 900), der Rolle der IVS-Invest GmbH als "Obervermittlerin" und der hohen Vertriebs- und Weichkosten iHv insgesamt 21 % bezogen auf das Kommanditkapital war vom LG Ried ebenfalls eine "gravierende Verletzung der Informationspflicht" der Bank bejaht worden.
Das LG Ried im Innkreis hatte die Haftung der Bank bereits im November letzten Jahres bejaht. Das OLG Linz bestätigt die Entscheidung und hat die Berufung der Volksbank Ried und der - als Nebenintervenientin aufseiten der Bank beteiligten - CPM Anlagen Vertriebs GmbH in Liquidation (österr Vertriebsgesellschaft von MPC) verworfen:

-    Die Volksbank Ried hat ihre Aufklärungspflicht grob fahrlässig verletzt. Nicht ausreichend sind die rückseitigen Hinweise auf der Beitrittserklärung ("Beitrittsbedingungen") und die Risikohinweise im vom Bankberater ausgefüllten Anlegerprofil. Diese können eine fundierte Beratung nach Ansicht des OLG Linz nicht ersetzen. Dem Argument der CPM, über das Totalverlustrisiko wäre gar nicht aufzuklären gewesen, weil dessen Verwirklichung aus damaliger Sicht unwahrscheinlich gewesen sei, hielt das Gericht entgegen, dass auch über den Wahrscheinlichkeitsgrad einer Risikoverwirklichung aufzuklären ist.

-    Das Nichtlesen der Risikohinweise auf der Rückseite der Beitrittserklärung und des Anlegerprofils begründet kein Mitverschulden. Da der Bankberater nicht einmal andeutungsweise darüber aufgeklärt hat, dass es sich bei den jährlichen Ausschüttungen bloß um Kapitalrückzahlungen und keine Zinsen handelt (sondern es nach den Feststellungen selbst nicht wusste und die Beteiligung andernfalls auch nicht empfohlen hätte), ist es dem Anleger nicht vorwerfbar, dass er keine Notwendigkeit zum Lesen der kleingedruckten Risikohinweise erkannt hat. Ferner suggeriert die dem Anleger übergebene und von diesem gelesene Verkaufsbroschüre nach Ansicht des Gerichts ganz im Gegenteil eine "trügerische Sicherheit", die in Wahrheit nicht besteht. Außerdem war das Formular der Beitrittserklärung beim "Unterzeichnungstermin" bereits handschriftlich vom Berater teilweise ausgefüllt und die vom Kläger zu unterfertigenden Stellen mit einem Kreuz markiert. Der Anleger hatte demnach vor Unterzeichnung in Wahrheit keine Gelegenheit mehr, die umfänglichen Beitrittsbedingungen auf der Rückseite der Beitrittserklärung durchzulesen.

-    Der Verjährungseinwand ist unberechtigt: CPM hatte diesbezüglich vorgebracht, aus der Zusendung des Umstrukturierungskonzepts 2007, mit dem 8 Hollandfonds zusammengelegt werden sollten, hätte jeder Anleger, der bis dahin geglaubt hat, eine sichere Veranlagung zu haben, das Risiko erkennen müssen. Das Gericht geht dagegen davon aus, dass der Anleger aus den 2007 übermittelten Schreiben die für die Anlageentscheidung kausalen Fehlinformationen nicht erkennen musste. Die Informationsschreiben seien vielmehr so abgefasst, dass ein unbedarfter Anleger nicht Verdacht schöpfen musste, das von ihm eingesetzte Kapital könnte verloren sein. Dem Kläger ist es nach dem OLG Linz daher auch nicht vorwerfbar, wenn er die beigelegten Unterlagen (etwa eine mehr als 100-seitige Informationsbroschüre), nicht las.

Auch die Mitteilung einer "Liquiditätsausschüttung" (und nicht: Kapitalverzinsung) lässt im Empfängerhorizont des Anlegers nicht den Schluss auf eine etwaige Rückforderbarkeit der an ihn geleisteten Ausschüttungen zu - und kann daher keine verjährungsfristauslösende Schadenskenntnis begründen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand 16.3.2015), die ordentliche Revision an den OGH wurde vom OLG Linz nicht zugelassen.

OLG Linz 19.2.2015, 3 R 5/15y
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Klagsvertreter: Dr. Sebastian Schumacher, RA in Wien

Anmerkung: Vgl auch die - bereits rechtskräftigen - Entscheidungen des OLG Wien 2.12.2013, 4 R 134/13z und 23.07.2014, 4 R 27/14s, wo eine Haftung des Beraters gleichermaßen auf Aufklärungspflichtverletzungen über Charakter und Rückforderbarkeit der Ausschüttungen gestützt wurde, ein Mitverschulden des (hier auch: kapitalmarkterfahreneren) Anlegers jeweils zur Gänze verneint wurde und dem Leistungsbegehren auf Naturalrestitution in Form der Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich erhaltener Ausschüttungen) Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Treuhandvertrag in Kombination mit dem Feststellungsbegehren bezüglich einer etwaig drohenden Rückforderung der Ausschüttungen stattgegeben wurde.

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