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Info: Türkei - PKK Terror-Drohungen - Reisestornos

Mit der Verhaftung des PKK-Führers Öcalan und den darauf folgenden Anschlägen - vor allem in Istanbul - sowie den Terrordrohungen der PKK gegen touristische Ziele, stellte sich für Verbraucher die Frage, ob man von einer bereits gebuchten Pauschalreise in die Türkei kostenlos zurücktreten könne.

Die Rechtslage ist - es fehlen vor allem Grundsatzentscheidungen des OGH - unklar:

1. In einem Musterprozess des VKI entschied das Bezirksgericht für Handelssachen Wien:

- Für einen Badeurlaub mit Kleinkindern ist das Nichtvorliegen jedweden Sicherheitsrisikos geschäftstypische Voraussetzung. Werden daher am Reiseziel Bombenanschläge angekündigt und gegen Touristenziele tatsächlich auch durchgeführt, dann liegt ein Fall des Wegfalles der Geschäftsgrundlage vor, der den Reisenden berechtigt, den Vertrag aufzulösen. Der Reiseveranstalter hat in diesem Fall keinen Anspruch auf Ersatz eines Nichterfüllungsschadens, wie etwa eine Storno- oder Bearbeitungsgebühr.

- Eine sogenannte "Nicht-Reise-Empfehlung" des Außenministeriums in Wien wird nur in besonders krassen Fällen erteilt. Das Nichtvorliegen einer solchen "Nicht-Reise-Empfehlung" hindert daher im Einzelfall nicht, dass der Reiseantritt dennoch unzumutbar sein kann.

BGHS Wien 24.1.1996, 3 C 1847/95 - KRES 7/102

2. In einem weiteren Musterprozess des VKI um zwei Bombenanschläge auf der Insel Rhodos im Jahr 1994 ging das BGHS Wien zunächst davon aus, dass zwar die Gefahr von Terroranschlägen keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage bilden würden, im konkreten Fall aber - aus Sicherheitsgründen - die Strände gesperrt worden waren. Die Benützung der angrenzenden Strände sei aber sehr wohl Geschäftsgrundlage der Reise und diese Geschäftsgrundlage sei durch deren Sperre weggefallen. Darüber hinaus ging das Gericht davon aus, dass die Lage aus der Sicht der Kunden - im Lichte auch der Medienberichte - zu prüfen sei. Da die Medien im Lichte der Anschläge über mögliche Terrorakte spekulierten, sich im nachhinein erst herausstellte, dass sich nur zwei verfeindete Hoteliers "bekriegt" hatten, war dies für die Beurteilung wesentlich. Das Erstgericht gab der Klage statt.

BGHS Wien 16.8.1995, 10 C 23/95w

Das Handelsgericht Wien stellte als Berufungsgericht auf die objektiven Bedingungen ab und verneinte einen Wegfall der Geschäftsgrundlage sowohl für die Gefahr von Terroranschlägen als auch für die Sperre von Stränden, da tatsächlich keine weiteren Terroranschläge stattfanden und auch nicht objektiviert wurde, ob die Strände sodann tatsächlich gesperrt waren. Das Berufungsgericht hielt aber ausdrücklich fest, dass diese Rechtsansicht nicht ohne weiteres auf die Drohungen und Anschläge der PKK (siehe oben) zu übertragen wären.

HG Wien 7.5.1996, 1 R 325/96g

Seit 1996 liegt der Fall beim OGH und er wurde bis heute nicht endgültig entschieden.

3. Schließlich liegt dem VKI noch ein Urteil des HG Wien um Terroranschläge in der Türkei im Jahr 1995 vor. Aufgrund eines Bombenanschlages in Istanbul erklärten die klagenden Verbraucher ihren Rücktritt von einem Pauschalreisevertrag. Nun klagten sie auf Rückzahlung der Stornogebühr. Das Gericht grenzte das allgemeine Lebensrisiko (das grundsätzlich überall besteht) von einer Situation ab, bei der eine potentielle Gefährdung eine solche Intensität erreicht, die unter Auslegung eines durchschnittlichen Maßstabes als unzumutbare Konkretisierung einer derartigen Gefahr erscheint. Dabei sei primär auf die objektiv bestehenden Risken abzustellen; daneben dürfe aber nicht ganz unberücksichtigt bleiben, welche Informationen sich der betreffende Vertragspartner bei sorgfältigem Bemühen verschaffen könne. Sensationelle Medienberichte allein seien kein Grund, einen Wegfall der Geschäftsgrundlage annehmen zu können. Da sich die Anschläge und Demonstrationen auf ein bestimmtes Viertel in Istanbul beschränkten und auch nicht explizit gegen Touristen richteten, ging das Gericht davon aus, dass im vorliegenden Fall kein Wegfall der Geschäftsgrundlage eingetreten sei. Das Gericht hielt aber wieder fest, dass seine Entscheidung daher nicht auf den (oben dargestellten) Fall von Terrordrohungen und Anschläge auf Touristen übertragen werden könne.

HG Wien, 24.7.1997, 1 R 854/96a
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Im Lichte der unklaren Rechtslage hat der VKI die Reiseveranstalter aufgerufen, verunsicherten Türkeiurlaubern ein kostenloses Storno bzw. kostenlose Umbuchungen zu ermöglichen. Die Reiseveranstalter haben diesen Weg in einer Sitzung am 19.3.99 aber abgelehnt und klargestellt, dass man Stornos nur gegen Stornogebühr und Umbuchungen nur gegen eine Gebühr von 300.- pro Person durchführen werde. (Die Meldung in der Zeitschrift "Travel Industry Professional", wonach sich Veranstalter und Konsumentenschützer in der Sitzung am 19.3.1999 auf diese Vorgangsweise geeinigt hätten, ist also unrichtig.)

Der VKI empfiehlt vielmehr jenen Kunden, die eine Reise in die Türkei aus Sicherheitsgründen stornieren wollen, sich jedenfalls auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen und allfällige Stornogebühren nur vorbehaltlich der Rückforderung zu bezahlen. Wir hoffen, im Lichte weiterer Musterprozesse die Rechtslage klären zu können.

Im übrigen stellen sich im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen am Balkan im Grunde dieselben Fragen auch für andere Urlaubsländer.

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