Zum Inhalt

FWK II: Verjährungsbeginn bei Schadenersatz

Bei Fremdwährungskrediten liegt der für die Verjährung maßgebliche Primärschaden bereits im Abschluss des Vertrages. Für eine gesonderte Verjährung des "Mehraufwendungsschadens" besteht idR keine Grundlage.

2004 schloss der Kläger bei der beklagten Bank zwei endfällige Fremdwährungskredite in CHF über insgesamt 260.000 EUR ab (Rückzahlungstermin: 31.10.2028). Als Tilgungsträger diente eine fondsgebundene Erlebens- und Ablebensversicherung bei der S-Versicherung (Versicherungsdauer bis 1.4.2029).

Am 15.12.2008 informierte die Bank den Kläger ausführlich über das Kurs- und Zinsänderungsrisiko von FWK.

Der Kläger begehrte mit seiner am 12.9.2013 eingebrachten Klage die Feststellung der Haftung der Bank für jenen Schaden, welcher dem Kläger aus der Vermittlung von sowie aus der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit dem Erwerb der dargestellten Hebelfinanzierung entstehe.

Die Klage wurde wegen Verjährung abgewiesen, dem Kläger hätte spätestens nach dem Gespräch am 15.12.2008 klar sein müssen, dass er ein - entgegen seinen Vorstellungen - risikobehaftetes Finanzierungsmodell gewählt habe.

Die schon eingetretenen und die aus demselben Schadensereignis voraussehbaren künftigen Schäden bilden verjährungsrechtlich eine Einheit; diese Folgeschäden lösen verjährungsrechtlich keinen gesonderten Fristenlauf aus (gemäßigte Einheitstheorie). Der drohenden Verjährung des Ersatzanspruchs für solche Folgeschäden ist mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen.

Trennungsthese?


Nach dem BGH verjähren Schadenersatzansprüche aufgrund verschiedener Beratungsfehler gesondert (sog "Trennungsthese"). Laut OGH geht es bei Anlegerschäden aufgrund einer Fehlberatung in mehreren Punkten nicht darum, dass hier verschiedene Schäden vorliegen, sondern darum, dass die Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt, wenn dem Kläger der anspruchsbegründende Sachverhalt bekannt geworden ist. Der Kläger kann sich aussuchen, auf welche Pflichtverletzung er sich stützt.

Dieser Gesichtspunkt kann beim Fremdwährungskredit Bedeutung erlangen, weil hier mehrere spezifische Risiken (Wechselkurs, Zinsentwicklung, Entwicklung des Tilgungsträgers) und idR mehrere Verträge (Kreditvertrag und mindestens ein Tilgungsträger) bestehen, hinsichtlich derer jeweils eine Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht kommt.

Es bedurfte hier jedoch keiner abschließenden Klärung dieser Frage, weil die vom Kläger behaupteten weiteren Beratungsfehler nicht geeignet sind, einen selbständigen Lauf der Verjährungsfrist zu begründen (s unten).

Übertragung der Rsp zu Anlegerschaden auf FWK

Beim Anlegerschaden liegt der Eintritt des Schadens bereits darin, dass der Kläger nicht ein risikoloses, sondern ein risikobehaftetes Papier erworben hat ("realer Schaden"; Kl hat Anspruch auf "Naturalrestitution").

Die Verjährungsfrist beginnt daher bereits mit Erkennbarkeit dieses Umstands; der Eintritt des rechnerischen Schadens ("Differenzanspruch") ist irrelevant. Einer drohenden Verjährung muss der Geschädigte diesfalls mit einer Feststellungsklage begegnen. Ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit der gewählten Anlageform eingetretener weiterer Schaden ist als bloßer Folgeschaden zu qualifizieren, dessen Verjährung gleichfalls mit Kenntnis vom Eintritt des Erstschadens beginnt.

Überträgt man diese Auffassung auf FWK, so ist auf den Vertragsabschlussschaden abzustellen. Für eine gesonderte Verjährung des "Mehraufwendungsschadens" besteht idR keine Grundlage. Damit würde entgegen der Einheitstheorie der an sich einheitliche Schaden in einen Primär- und verjährungsrechtlich selbständige Folgeschäden zerlegt. Bereits der Abschluss eines - in dieser Form nicht gewollten - Vertrags kann aus verschiedenen Gründen einen Schaden darstellen kann. Beim Fremdwährungskredit kann die gewählte Konstruktion etwa hinsichtlich des Wechselkursrisikos, hinsichtlich der Kursentwicklung des Tilgungsträgers und/oder dessen Rendite oder auch aufgrund eines Zusammenwirkens dieser Faktoren hinter den Erwartungen des Anlegers zurückbleiben. Der maßgebliche Primärschaden liegt daher grundsätzlich bereits im Abschluss des FWK.

Feststellungsklage

Ein Feststellungsurteil entfaltet verjährungsausschließende Wirkung für alle zukünftigen Ansprüche, die innerhalb der für Judikatschulden normierten Frist erhoben werden. Damit schaltet ein Feststellungsurteil die Verjährungseinrede für Folgeschäden für 30 Jahre aus. An der Feststellung eines verjährten Rechts besteht aber im Allgemeinen kein rechtliches Interesse.

Weitere Beratungsfehler?


2008 erfolgte eine ausführliche Aufklärung des Klägers über das Währungs- und Zinsrisiko und das Risiko der Entwicklung (Performance) des gewählten Ansparplans. Ein eigenständiges Risiko des "Zusammenwirkens des Risikos von Zinsänderungen und Währungsschwankungen", auf das der Kläger gesondert hinzuweisen wäre, sodass die Unterlassung eines diesbezüglichen Hinweises allenfalls eine gesonderte Verjährungsfrist auslösen könnte, ist nicht anzuerkennen.

Dass die Zinsen bei einem endfälligen Kredit bis zum Laufzeitende vom vollen Kreditbetrag berechnet werden, während sie beim Abstattungskredit vom fallenden Kapital berechnet werden, ist geradezu Wesensmerkmal des vom Kläger abgeschlossenen Kreditvertrags; eines ausdrücklichen Hinweises auf diesen Umstand bedurfte es nicht.

Das Auseinanderfallen von Endfälligkeit des Kredits (31.10.2028) und Fälligkeit des Tilgungsträgers (1.4.2029) ist gleichfalls Inhalt des vom Kläger geschlossenen Rechtsgeschäfts. Es ist nicht zu sehen, wie sich die vom Kläger vermissten Hinweise auf seinen seinerzeitigen Willensentschluss auswirkten, also die behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen dafür überhaupt kausal waren.

OGH 25.9.2015, 6 Ob 153/15s

Anmerkung: Ein anderer Senat hat im Anlegerrecht gegenläufig entschieden (3 Ob 112/15i vom 17.09.2015 = VbR 2015/127).

 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in den Geschäftsbedingungen der Erste Bank

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG geklagt. Gegenstand des Verfahrens waren Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Online-Banking „George“ sowie zu Sparbüchern. Dabei wurden vor allem Vertragsbestimmungen zur Haftung der Kundinnen und Kunden in Missbrauchsfällen, unzulässige Anzeigepflichten sowie Klauseln zur Verzinsung von Sparbüchern beanstandet. Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte 14 Klauseln für unzulässig erklärt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der dagegen eingebrachten Revision der Erste Bank in keinem einzigen Punkt Recht, sondern bestätigte die Gesetzwidrigkeit der 14 Klauseln. 

OLG Wien bestätigt Gesetzwidrigkeit der Ausnahmesituationsklausel in der Rechtsschutzversicherung

Bereits Ende letzten Jahres erklärte das Handelsgericht (HG) Wien die Klausel in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren für gesetzwidrig. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigte das Urteil nun. Rechtsschutzversicherer dürfen die Klausel daher nicht als Grund für Deckungsablehnungen heranziehen. Das bedeutet, dass Versicherer coronabedingte Rechtsstreitigkeiten in vielen Fällen zu Unrecht ablehn(t)en. Das Urteil ist rechtskräftig.

Klauseln des Internetbanking-Schutzpakets der Unicredit unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Unicredit Bank Austria AG wegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Internetbanking Schutzpaket „JUST-IN-CASE“. Dieses Produkt soll Verbraucher im Internetbanking gegen finanzielle Schäden durch Internetkriminalität absichern. Dabei klärte die Bank aber nicht ausreichend darüber auf, wann die Kunden nach dem Gesetz ohnehin keine Haftung trifft. Das Handelsgericht Wien (HG) hat nun alle eingeklagten Klauseln als unzulässig beurteilt. Das Urteil ist nur teilweise rechtskräftig, da die Beklagte zu einer Klausel Berufung erhoben hat

Urteil zur vorzeitigen Kreditrückzahlung

Der VKI führt im Auftrag des Sozialministeriums ein Verfahren gegen die Unicredit Bank Austria AG. Es geht in dem Verfahren um die Frage, ob bei vorzeitiger Kreditrückzahlung auch die laufzeitunabhängigen Kosten anteilig zurückerstattet werden müssen und ob dies auch für die Rechtslage vor dem 1.1.2021 gilt. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien gab dem VKI Recht und bestätigte, dass auch nach der alten Rechtslage bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nicht nur die laufzeitabhängigen Kosten, sondern auch die laufzeitunabhängigen Kosten anteilig von der Bank zurückzuerstatten sind. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

VKI-Erfolg gegen Online-Broker DEGIRO

DEGIRO B.V. ist ein international tätiger Web-Trader mit Sitz in den Niederlanden, der auf „degiro.at“ eine Online-Trading-Plattform anbietet, über die Kundinnen und Kunden Wertpapiere erwerben können. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums DEGIRO wegen diverser Klauseln in den Geschäftsbedingungen geklagt. Nachdem bereits das Handelsgericht Wien und das Oberlandesgericht Wien dutzende Klauseln als unzulässig beurteilt haben, liegt nun die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) vor: Das Höchstgericht erachtet 48 Klauseln als gesetzwidrig.

Zum Seitenanfang