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Ewiger Rücktritt bei Lebensversicherung zulässig

Deutsches Bundeverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerde ab - Jahresfrist für das Erlöschen des Widerspruchsrechts gilt nur noch im Bereich der Sachschadenversicherungen.

Die AachenMünchener Lebensversicherung ist mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen ein "ewiges Widerrufsrecht" (vergleichbar mit dem österreichischen Rücktritt von der Lebensversicherung) beim deutschen Verfassungsgericht in Karlsruhe gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerden nicht zur Entscheidung an.

Der Versicherer hatte sich gegen Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) gewehrt, die Kunden bei fehlerhaften Belehrungen ein "ewiges" Recht zum Widerruf bei Lebensversicherungen eingeräumt hatten. Das gab ihnen die Möglichkeit, auch Jahre später noch günstig aus ihrem Vertrag auszusteigen.

Für einen solchen Fall habe § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. zwar bestimmt, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlösche. Die erst in den Jahren 2010 und 2013 erklärten Widersprüche seien jedoch ungeachtet dieser Jahresfrist rechtzeitig erfolgt, da die Widerspruchsfrist in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung nicht in Lauf gesetzt worden sei.

Auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (C-209/12) bedeutet dies, dass die Jahresfrist für das Erlöschen des Widerspruchsrechts nur noch im Bereich der Versicherungen anderer Art, namentlich der Sachschadenversicherungen anwendbar ist.

Gegen diese Auslegung des BGH hatte das Verfassungsgericht keine Einwände, die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung seien nicht überschritten. Der BGH habe davon ausgehen dürfen, dass der Gesetzgeber die europarechtlichen Vorgaben für Lebensversicherungen ordnungsgemäß in deutsches Recht umsetzen wollte.

Die Jahresfrist für Widersprüche wäre jedoch mit diesem Ziel nicht vereinbar gewesen. Daher entspreche es dem Willen des Gesetzgebers, die Frist auf andere Versicherungen als Lebensversicherungen zu beschränken, wie es der BGH getan habe.

Der Bundesgerichtshof hat dabei von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung auch in vertretbarer Weise Gebrauch gemacht und die Grenzen herkömmlicher Gesetzesinterpretation und richterlicher Rechtsfortbildung nicht überschritten.

BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2016, 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15

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