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Das Rücktrittsrecht des Verbrauchers beim Aktienkauf nach dem Kapitalmarktgesetz

Der OGH nimmt jüngst Stellung zum Rücktrittsrecht des Verbrauchers, wenn bei einem Aktienerwerb die Prospektpflicht nach dem Kapitalmarktgesetz verletzt wurde.

Liegt ein "öffentliches Angebot" vor, das eine Prospektpflicht nach sich zieht, so kann ein Verbraucher bei Verletzung dieser Pflicht vom Aktien-Kaufvertrag mit der Bank zurücktreten. Dieses Rücktrittsrecht besteht grundsätzlich gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner des Verbrauchers, unabhängig davon, ob dieser selbst die Prospektpflicht verletzt hat oder nicht.

In der Entscheidung konkretisiert der OGH erstmals die Bestimmung des § 5 Absatz 1 Kapitalmarktgesetz (KMG), in welcher das Rücktrittsrecht des Verbrauchers bei Verletzung der Prospektpflicht geregelt ist. Demnach kann der Verbraucher vom Aktienkauf ua dann zurücktreten, wenn ein prospektpflichtiges Anbot ohne vorhergehende Veröffentlichung eines Prospekts erfolgt ist.

1. "Öffentlichem Angebot": Wann ein solches öffentliches Angebot vorliegt, wurde von der Rechtsprechung bislang noch nicht näher definiert. Der OGH stellt nun fest, dass ein Angebot dann öffentlich sei, wenn es (direkt oder indirekt) an die Allgemeinheit, also an einen prinzipiell unbeschränkten bzw nur nach gewissen abstrakten Kriterien beschränkten Kreis von Adressaten gerichtet ist. Sind hingegen die Adressaten des Anbots namentlich bzw persönlich so ausgewählt worden, dass eine der Prospektinformation gleichwertige Anlegerinformation in jedem Einzelfall gewährleistet ist, liegt kein "öffentliches Angebot" vor, das eine Prospektpflicht nach sich zieht.

2. "Prospektpflicht": Liegt ein öffentliches Angebot vor, so ist nach dem Kapitalmarktgesetz ein Prospekt in deutscher (bzw englischer) Sprache zu erstellen, das alle Angaben enthalten muss, die es dem Anleger ermöglichen, sich ein fundiertes Urteil über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten und dessen Entwicklungsaussichten und über die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte zu bilden. Das Kapitalmarktgesetz normiert nicht ausdrücklich, wer die Prospektpflicht zu erfüllen hat. Es ist jedoch davon auszugehen, dass grundsätzlich der Emittent selbst dieser Pflicht nachkommen muss. Ist der Emittent allerdings nicht ident mit dem Anbieter der Wertpapiere, so hat der Anbieter sicherzustellen, dass die Vorschriften des Kapitalmarktgesetzes eingehalten werden.

3. Rücktrittsrecht: Erfolgt ein prospektpflichtiges Angebot ohne vorhergehende Veröffentlichung eines Prospekts, können Verbraucher vom Vertrag zurücktreten. Das Rücktrittsrecht erlischt mit Ablauf einer Woche nach dem Tag, an dem der Prospekt veröffentlicht wurde. Da im gegenständlichen Fall überhaupt kein Prospekt veröffentlicht wurde, steht dem Verbraucher-Anleger das Rücktrittsrecht grundsätzlich unbefristet zu.

4. Adressat des Rücktritts: Die einschlägigen Bestimmungen im Kapitalmarktgesetz definieren auch den Kreis der möglichen Rücktrittsgegner des Anlegers nicht. Der OGH stellt nun dazu fest, dass vom Gesetzgeber zwar primär an den Anbieter gedacht wurde, der zugleich Emittent sein kann. Im Fall der - üblichen - Fremdemission kauft der Anleger allerdings regelmäßig nicht vom Emittenten. Der OGH schließt daher aus der Intention der Bestimmungen, dass dem Verbraucher das Rücktrittsrecht gegenüber seinem Vertragspartner eingeräumt wird, unabhängig davon, ob dieser selbst die Prospektpflicht verletzt hat oder nicht. Im gegenständlichen Fall trug der OGH dem Erstgericht daher auf, in einem fortgesetzten Verfahren nährere Feststellungen darüber zu treffen, ob die Bank den Aktienkauf in eigenem Namen durchführte und der Anleger daher sein Rücktrittsrecht gegen diese (als seinen Vertragspartner) geltend machen kann.

OGH 26.11.2009, 2 Ob 32/09h

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