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Urteil: FAGG-Rücktritt bei Zusatzaufträgen auf Baustelle?

Bei einer Wohnungssanierung wurden auf der Baustelle noch Zusatzaufträge erteilt. Laut OGH bilden im konkreten Fall diese Zusatzaufträge einen einheitlichen Vertrag mit dem Hauptvertrag, weswegen kein Rücktrittsrecht nach FAGG von diesen Zusatzaufträgen besteht.

Am 29.6.2015 erstellte der - später klagende - Werkunternehmer dem - später beklagten - Werkbesteller zur Sanierung der Wohnung ein schriftliches Angebot. Das Angebot bezog sich auf "Baumeisterarbeiten, Boden- und Wandbeschichtung, Regiearbeiten, Rauchfangsanierung, Elektroinstallation und Installationsarbeiten", enthielt feste Einheitspreise. Die Beklagte unterfertigte das Angebot der Klägerin in deren Büroräumlichkeiten.

Im Zuge der Bauausführung kam es zu Kostenüberschreitungen, weil die Beklagte auf der Baustelle zusätzliche Aufträge erteilte. In Ansehung dieser Zusatzaufträge ist der Beklagten keine Information iSd § 4 Abs 1 Z 8 FAGG (Belehrung über das Rücktrittsrecht unter Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars) zugekommen.

Da die Beklagte diese Mehrkosten nicht zahlte, klagte der Werkunternehmer.
Mit dem Einspruch am 13.5.2016 erklärte die Beklagte den Rücktritt nach FAGG.

Der Klage wurde stattgegeben:

Laut OGH ist die Beurteilung, ob hier ein FAGG-Rücktrittsrecht zusteht, davon abhängig, ob die Zusatzaufträge jeweils als gesonderte Verträge zu qualifizieren sind, oder ob ein einheitlicher Vertrag mit dem Hauptauftrag vorliegt.

Diese Frage ist nach innerstaatlichem Recht, ohne Vorgaben durch die Verbraucherrechte-RL, zu beantworten, da etwa das Zustandekommen, die Gültigkeit oder die Rechtswirkungen eines Vertrags nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen sind (ErwGr 14 der Verbraucherrechte-RL 2011/83/EU); nach Art 3 Abs 5 der RL lässt diese das innerstaatliche Vertragsrecht unberührt, soweit nicht konkrete vertragliche Aspekte in der RL geregelt werden.

Mangels ausdrücklicher Erklärungen der Parteien zur Frage, ob äußerlich getrennte Verträge sachlich eine Einheit bilden sollen, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln, ob ein derartiger Wille der Parteien angenommen werden kann. Vor allem aus der Entstehungsgeschichte des Vertrags und aus dem zeitlichen Abstand zwischen den Verträgen können sich gegebenenfalls Anhaltspunkte für einen auf die Verknüpfung der Verträge abzielenden Parteiwillen ergeben.

Gerade für den Bauvertrag ist es typisch, dass im Zuge der Bauausführung Leistungsänderungen vereinbart werden, um das Leistungsziel zu erreichen.

Zwischen den Streitteilen wurde ein Einheitspreisvertrag abgeschlossen. Bei einem Einheitspreisvertrag wird das zu erbringende Werk in einzelne Teilleistungen (Einheiten) aufgeteilt, die mit entsprechenden Einheitspreisen bewertet werden. Dabei wird dem Besteller nur der Einheitspreis (Preis für die Einheit einer Leistung, die nach Stück, Zeit oder Masse oder in anderen Maßeinheiten erfasst wird), nicht aber der Gesamtpreis zugesichert. Sofern es im Rahmen der Bauausführung zu Leistungsänderungen kommt, führt dies zu einer Änderung des Gesamtpreises. Ein Einheitspreisvertrag wird daher vor allem dann gewählt, wenn von den Vertragsparteien Leistungsänderungen erwartet werden. In einem solchen Fall ist nach dem Verständnis redlicher Parteien grundsätzlich davon auszugehen, dass sich auf der Baustelle ergebende Leistungsänderungen, die im Rahmen des ursprünglichen Leistungsziels liegen, dem Hauptvertrag zuzuordnen sind. Die Vertragsauslegung führt daher iaR zum Ergebnis, dass der Hauptvertrag durch Zusatzaufträge konkretisiert wird und ein einheitlicher Vertrag vorliegt.

Die gegenständlichen Zusatzleistungen wurden vom OGH als Konkretisierungen des Hauptvertrages angesehen und sind daher diesem zuzuordnen. Für diese Zuordnung ist entscheidend, dass ein sachlicher Zusammenhang zu diesem und dem darin vereinbarten Leistungsziel besteht, sodass von einer Konkretisierung der beauftragten Leistungen auszugehen ist. Hauptauftrag und Zusatzaufträge bilden einen einheitlichen Vertrag, der zum Zweck der Sanierung der Wohnung der Beklagten abgeschlossen wurde. Da aus rechtlicher Sicht kein gesonderter, außerhalb der Geschäftsräume der Klägerin geschlossener Vertrag vorliegt, ist der sachliche Anwendungsbereich des FAGG auch in Bezug auf die Zusatzaufträge nicht eröffnet. Aus diesem Grund steht der Beklagten das beanspruchte Rücktrittsrecht nicht zu.

OGH 20.02.2018, 4 Ob 28/18y
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