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"Null-bleibt-Null-Prinzip" bei Erste-Snowball ist gesetzwidrig

Führt eine Zinsklausel zwingend dazu, dass ein einmal erreichter Zinssatz von 0% dieses Niveau in allen Folgeperioden unabhängig von der jeweiligen Marktentwicklung beibehält, liegt eine gröbliche Benachteiligung des Anlegers vor.

Der VKI bekämpfte Zins- und Kündigungsklauseln der Erste Bank Snowball Bonds VIII, IX und X.

In allen drei Produkten war für das erste Jahr eine Fixverzinsung vorgesehen, für die weitere Laufzeit ein variabler Zinssatz. Die Möglichkeit einer Null-Verzinsung in einer Bankschuldverschreibung verstößt grundsätzlich nicht gegen das Gesetz.

Die Bedingungen für den Snowball Bond X (Laufzeit 10 Jahre) enthielten eine Klausel, nach der im Fall eines einmal erreichten Zinssatzes von 0% zwingend jede weitere Verzinsung der Bankschuldverschreibung ausgeschlossen war. Diese Klausel ist nach dem OGH gesetzwidrig. Die Zinsklauseln der anderen beiden Snowball Bonds, nämlich VIII und IX, hielten hingegen der Klauselprüfung stand. Auch diese lassen eine Nullverzinsung zu, aber im Unterschied zum Snowball Bond X, bei dem sich eine einmal erreichte Null-Verzinsung nicht mehr ändern kann, ist es bei diesen beiden möglich, dass der Inhaber nach einer Periode der Null-Verzinsung wieder Zinsen erhält.
Die Emissionsbedingungen für die drei Produkte enthielten eine Klausel, wonach die Emittentin berechtigt war, nach Ablauf eines Jahres zu kündigen, eine Kündigungsmöglichkeit des Inhabers der Bankschuldverschreibung aber ausgeschlossen wurde. Auch diese Klausel ist sachlich nicht gerechtfertigt und daher gesetzwidrig.

Was bedeutet dies nun für die Anleger
Ist eine AGB-Klausel gesetzwidrig gemäß § 879 Abs 3 ABGB, hat man im Individualprozess nach herrschender Meinung eine geltungserhaltende Reduktion vorzunehmen; die Klausel wird also auf einen gesetzeskonformen Inhalt umformuliert; dabei wird mittels ergänzender Vertragauslegeung nach dem hypothetischen Parteiwillen vorgegangen.

Verzinsung:
Der Wegfall der gesetzwidrigen Verzinsungsklausel des Snowball Bond X führt zu der Frage, welcher Zinssatz stattdessen anzunehmen ist. Als Ersatz wird wohl auch ein variabler Zinssatz mit inverser Koppelung an den 6-Monats-Euribors heranzuziehen sein; als Maßstab könnten etwa die Zinssätze der anderen Snowball Bonds dienen.

Sonstige Schäden:
Sind Anlegern vom Snowball Bond X sonstige Kosten, wie etwa Anwaltskosten für - gescheiterte - Vergleichsverhandlungen wegen der nunmehr ausdrücklich für gesetzwidrig erklärten Zinsklausel entstanden, ist auch deren Ersatz denkbar.

Kündigung:
Durch den Wegfall der Klausel zur einseitigen Kündigungsmöglichkeit der Bank kommt das dispositive Recht zur Anwendung, nach dem die Parteien eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dauerschuldverhältnisses kein ordentliches Kündigungsrecht haben. Eine allfällige bereits erfolgte Kündigung seitens der Bank wäre daher unzulässig. Eine außerordentliche Kündigung, also eine Kündigung aus wichtigem Grund, ist aber möglich.

Folgen einer gesetzwidrigen Kündigung seitens der Bank:
Falls seitens der Bank ein solcher Snowball Bond gekündigt wurde, sind Schadenersatzansprüche des Anlegers denkbar:
- Bei einem Snowball Bond VIII und IX besteht dieser etwa in der Differenz der tatsächlichen Anlage (zB Sparbuchzinsen) und dem jeweiligen Zinssatz des Bonds.
- Beim Snowball Bond X besteht dieser in der Differenz der tatsächlichen Anlage (zB Sparbuchzinsen) und dem - im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermittelnden - hypothetischen Zinssatz.

Verjährung:
Weiters ist die Verjährung von allfälligen Schadenersatzansprüchen zu beachten: Schadenersatzansprüche verjähren drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, wobei nach der Rechtssprechung schon Erkenntbarkeit des Schadens ausreicht.

Die Erste Bank hat gegenüber dem VKI erklärt, bis 20.9.2010 eine kundenfreundliche Lösung zu präsentieren und bis 31.12.2010 auf einen Verjährungseinwand zu verzichten. (siehe Datei unten).

OGH 17.03.2010,  7 Ob 15/10x
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Klagevertreter: Dr. Alexander Klauser, RA in Wien

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