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Urteil: BGH bejaht Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen Unfall auf Trampolinanlage

Der Betreiber eines Spiel- bzw Sportgerätes wie einer Trampolinanlage verletzt nach dem BGH seine Verkehrssicherungspflicht, wenn er nicht darauf hinweist, dass es bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauch - wozu hier auch Saltosprünge gehören - zu lebensgefährlichen Verletzungen kommen kann.

Beim Versuch, in einer Trampolinanlage einen Salto vorwärts zu machen, landete der Kläger nicht auf den Beinen, sondern auf dem Rücken. Bei dem Aufprall brach er sich das Genick und ist seitdem querschnittgelähmt.

An der Anlage befanden sich Hinweisschilder, die unter anderem folgende "Wichtige Hinweise" enthielten: " … C) Bevor man Saltos ausführt, sollte man sich zuerst mit dem Trampolin vertraut machen. D) Beim Ausführen von Saltos sollte man die Beine möglichst gestreckt halten, um einen Rückschlag (Knie ins Gesicht) beim Aufprall zu vermeiden...E) Keine Übungen machen, wenn man sich nicht sicher fühlt. … F) Die Anlage kann von Kindern ab vier Jahren und von Erwachsenen benutzt werden. … "

Der Kläger machte gegenüber den Betreibern der Anlage materielle und immaterielle Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geltend.

Nach dem BGH sei es ständige Rechtsprechung, dass derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schaffe, grundsätzlich verpflichtet sei, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung möglichst zu verhindern. Die rechtliche gebotene Verkehrssicherung umfasse diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig  und ausreichend halte, um andere vor Schäden zu bewahren, wobei zu berücksichtigen sei, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden könne. Der erforderlichen Sorgfalt sei genüge getan, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht würde, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich halte.

Demnach brauche ein Betreiber einer Sport- bzw Spielanlage zwar nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen, sondern solchen Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Anlagebenutzung hinausgingen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne weiters erkennbar seien. Der Umfang der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen richte sich insbesondere danach, welcher Grad an Sicherheit bei der Art des Spiel- bzw Sportgeräts und dem Kreis der dafür zugelassenen Benutzer typischerweise erwartet werden könne. Bei einem Spielgerät, dass für Kinder (ab vier Jahren) frei gegeben sei und ohne besondere Aufsicht benutzt werden könne, müsse ohne ausdrücklichen Hinweis grundsätzlich nicht damit gerechnet werden, dass es bei bestimmungsgemäßer Benutzung - wozu entsprechend den "Wichtigen Hinweisen" auch Saltosprünge gehörten - zu lebensgefährlichen Verletzungen kommen könne.

Ausgehend von diesen Grundsätzen habe das Berufungsgericht rechtsrichtig eine Pflichtverletzung der Beklagten darin gesehen, dass sie Saltosprünge auf der Trampolinanlage nicht generell unterbunden oder zumindest deutlicher auf die besonderen Gefahren von - missglückten - Saltosprüngen hingewiesen habe. 

Die Warnhinweise seien unzureichend gewesen, weil sie gerade nicht vor den spezifischen, beim Kläger eingetretenen Gefahren missglückter Saltosprünge gewarnt hätten. Die Hinweise vermittelten den Eindruck, dass die Saltosprünge eine zwar anspruchsvollere, aber durchaus übliche und zulässig Übung bei der Benutzung des Trampolins seien und bei Beachtung des Ausführungshinweises D) auch bei einem missglückten Sprung keine schwerwiegenden Gefahren drohten. Die Gefahr einer Selbstüberschätzung sei im gegenständlichen Fall noch dadurch verstärkt worden, dass die Risiken von Saltosprüngen durch den Hinweis auf die empfohlene Haltung eher verharmlost würden. Der Kläger habe sich durch Saltosprünge von Jugendlichen auf einem Nebenfeld, die aus seiner Sicht "total locker" ausgesehen hätten, zu einem eigenen Sprungversuch verleiten lassen. Mit einem solchen Verhalten unerfahrener Benutzer müsse der Betreiber einer solchen Anlage grundsätzlich rechnen.

Aufgrund des Beweises des ersten Anscheins, der bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten Anwendung finde, bestehe eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich der Kläger bei einem entsprechenden Hinweis auf die besondere Verletzungsgefahr bei Saltosprüngen durch ungeübte Personen hinweisgerecht verhalten und von einem Sprung Abstand genommen hätte.

Auch das Verschulden sei zu bejahen, weil sich die Beklagten als Verkehrssicherungspflichtige über die besonderen Gefahren dieses Spiel- bzw Sportgerätes bei Saltosprüngen informieren hätte müssen, bevor sie diese zuliesen.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, den Kläger träfe bei der Entstehung des Schadens ein hälftiges anspruchsminderndes Mitverschulden, sei nicht frei von Rechtsfehlern. Maßgebend für das Ausmaß des Mitverschuldens sei nicht die vom Kläger offensichtlich in Kauf genommene Gefahr, dass ein Sprung misslingen könne, als vielmehr die Frage, ob für ihn erkennbar gewesen sei, dass ein Misslingen des Sprunges zu schwersten Verletzungen führen könne. Feststellungen dazu, weshalb für den Kläger erkennbar gewesen sein sollte, dass weder das Sprungtuch noch die Matten eine ausreichende Abfederung gegen schwerste Verletzungen bei missglückten Saltosprüngen böten, gebe es keine. Diese werde das Berufungsgericht nachzuholen haben.

BGH 3.6.2008, VI ZR 223/07

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