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Berater müssen über wahre Ertragschancen auch bei Anlageform mit Kapitalgarantien aufklären

In einem richtungsweisenden Urteil hat der Oberste Gerichtshof die Schoellerbank AG zum Ersatz des Schadens bei Vermittlung von strukturierten Anleihen verurteilt.

Um beurteilen zu können, ob man sich auf eine Anlageform einlassen soll, bei der zwar die Rückzahlung des Kapitals garantiert ist, nicht jedoch ein Ertrag, ist es notwendig zu wissen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass während der Laufzeit (hier rund 8 Jahre) ein Ertrag erwirtschaftet werden kann, und wie groß das Risiko, am Ende nur das Kapital zu erhalten.

Die Schoellerbank hatte als konservativ bekannten Anlegern den Erwerb von "Value Protection II Notes" der HypoVereinsbank in der Größenordnung von € 2,8 Mio. empfohlen, da das Produkt über eine Kapitalgarantie verfügte. Den Anlegern, die ihr Geld bisher in Sparbücher investierten, wurde dessen Ertragsziel mit zehn bis zwölf Prozent per annum auf das eingesetzte Kapital über die Laufzeit von acht Jahren dargestellt.

Tatsächlich - dies wurde verschwiegen - handelte es sich bei diesen "VPN II Notes" um ein hochkomplexes Produkt, dessen Ertragsentwicklung über mehrere Ebenen letztlich an Hedge Fonds gebunden war, während andererseits die Kapitalgarantie "selbst verdient" werden musste, indem vom spekulativen Anteil Gelder in sichere Veranlagungen, und zwar je nach dem Grad des Erfolgs/Misserfolgs der Hedge Fonds-Strategie, umgeschichtet wurden. Im Ergebnis war damit das Risiko der vollständigen Ertragslosigkeit der "VPN II Notes" von Anfang an extrem hoch. Tritt nämlich bei derartigen Produkten im spekulativen Anlageteil während der Laufzeit einmal ein größerer Verlust ein, so ist davon auszugehen, dass die folgende Anlagestrategie allein auf Erreichen der Kapitalgarantie gerichtet sein wird und damit ein positiver Ertrag über die Rückzahlung des Kapitals hinaus ausgeschlossen ist.

Der OGH wertete die Nichtaufklärung über diese Umstände für haftungsbegründend, da ohne diese Information das Risiko der Veranlagung nicht beurteilt werden konnte.

Der Anleger bedarf daher der Aufklärung über gewisse, für ihn verständliche Parameter, nach denen er die Chance, dass ein Ertrag erwirtschaftet werden oder entfallen wird, selbst einschätzen kann. Die Information, dass eine Kapitalgarantie existiere, aber die Gefahr bestehe, dass unter Umständen keine Zinsen anfielen, ist rudimentär und reicht nicht aus.

Die Entscheidung ist von allgemeiner Bedeutung für die Haftung von Banken bei den vor der Finanzkrise verbreiteten "strukturierten Produkten", bei denen der dahinterstehende Mechanismus und damit das Risiko (des öfteren eine Wette der Bank gegen den Anleger) für den Anleger nicht durchschaubar war.

OGH 29.09.2010, 7 Ob 106/10d
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Klagevertreter: Sluka Hammerer Rechtsanwälte GmbH, Salzburg

OGH 29.09.2010, 7 Ob 106/10d im Volltext

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