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Urteil: Preiserhöhungen der EVN unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums das Energieunternehmen EVN Energievertrieb GmbH & Co KG (EVN) wegen einer Preisänderungsklausel. Der Oberste Gerichtshof (OGH) erklärte nun diese Preisanpassungsklausel für unzulässig. Da die EVN in den letzten Jahren auf Grundlage einer gesetzwidrigen Klausel Preiserhöhungen durchgeführt hat, muss die nun nach Ansicht des VKI ihren Kunden den entsprechenden Erhöhungsbetrag zurückzahlen.

Die entsprechende Klausel lautet:
"Weiters behält sich EVN Energievertrieb Preisänderungen im Wege einer Änderungskündigung vor. Die Preisänderungen werden dem Kunden durch ein individuell adressiertes Schreiben oder auf dessen Wunsch elektronisch mitgeteilt. Sofern der Kunde den Änderungen nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zugang der Preisänderungserklärung schriftlich widerspricht, werden nach Ablauf dieser Frist die Änderungen zu dem von EVN Energievertrieb mitgeteilten Zeitpunkt, der nicht vor dem Zeitpunkt der Versendung der Preisänderungserklärung liegen darf für die bestehenden Verträge wirksam. Widerspricht der Kunde den Änderungen binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang der Preisänderungserklärung schriftlich, endet der Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten, gerechnet ab Zugang der Preisänderungserklärung, zum Monatsletzten. Der Kunde ist auf die Bedeutung seines Verhaltens sowie die eintretenden Folgen im Rahmen der Preisänderungserklärung besonders hinzuweisen."


Die durch die Klausel vorbehaltene Preiserhöhung ist in keiner Weise beschränkt. Widerspricht der Kunde aus welchen Gründen immer dieser Preisänderung nicht, kommt es im Wege einer Zustimmungsfiktion zur Vereinbarung einer Vertragsänderung. Bei kundenfeindlichster Auslegung kann es daher auf diesem Weg zu einer zugunsten des AGB-Verwenders gänzlich unbeschränkten Preiserhöhung kommen.

Es liegt eine Klausel vor, die zwar den Begriff "Änderungskündigung" ins Spiel bringt (ohne eine solche auszusprechen), ihrem konkreten Inhalt nach aber durch Zustimmungsfiktion eine nach dem Grund, den Voraussetzungen und dem Ausmaß völlig unbeschränkte Änderungen des Entgelts (und damit des Vertrags) zulässt, wenn der Kunde von seinem Kündigungsrecht nicht rechtzeitig Gebrauch macht. Im Kern der Klausel kann somit der Kunde eine von der Beklagten gewünschte Preiserhöhung nur durch eine fristgerechte Kündigung des Vertrags ändern.

§ 80 Abs 2 ElWOG 2010 bzw § 125 Abs 2 GWG 2011 halten übereinstimmend fest, dass Änderungen der (Allgemeinen) Geschäftsbedingungen und der vertraglich vereinbarten Entgelte nur nach  Maßgabe des ABGB und des KSchG zulässig sind. Dass ein von den genannten Bestimmungen losgelöstes, von der Beklagten mehrfach behauptetes "Sonderprivatrecht im Energieversorgungssektor", die Prüfung einer AGB-Klausel nach § 879 Abs 3 ABGB und/oder § 6 Abs 3 KSchG ausschließe, trifft daher nicht zu.

Die beiden eingangs zitierten Bestimmungen lassen in ihrem letzten Satz zwar erkennen, dass eine Regelung, nach der ein Widerspruch des Kunden zur Vertragsbeendigung führt, zulässig ist; über die Zulässigkeit einer Vertragsänderung im Wege einer Zustimmungsfiktion und deren Voraussetzungen sagen sie aber nichts aus, sodass dafür die ausdrücklich erwähnten Gesetze (ABGB und KSchG)  relevant sind.

Es entspricht der st Rsp des OGH, dass eine Klausel, die Änderungen des Vertrags über eine Zustimmungsfiktion nach Inhalt und Ausmaß unbeschränkt zulässt, insbesondere eine Änderung wesentlicher Pflichten der Parteien (Leistung und Gegenleistung) zugunsten des Verwenders der AGB, gegen das Transparenzgebot verstößt, selbst wenn die Klausel den formalen Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG entsprechen sollte. Da die hier inkriminierte Klausel eine Änderung des Entgelts (und damit des Vertrags) über eine Zustimmungsfiktion ohne jede (sei es inhaltliche, zeitliche oder sonstige) Beschränkung zulässt, verstößt sie gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG.

Der OGH verweist dann auch auf die Rechtsprechung des EuGH: Der EuGH (31.2.2013, C-92/11, RWE/VE Nordrhein-Westfalen e.V.) fordert für die Zulässigkeit eines einseitigen Entgeltsänderungsrechts - über die eingeräumte Kündigungsmöglichkeit für den Kunden hinaus -, dass schon in den AGB der Anlass für die Erhöhung des Entgelts und die Kriterien dafür klar und verständlich dargestellt sein müssen. Nichts anderes kann gelten, wenn es immer dann zur Entgeltsänderung im Wege einer Zustimmungsfiktion kommt, falls der Kunde nicht rechtzeitig kündigt; auch diese vertragliche Zustimmungsfiktion läuft nämlich in der Praxis trotz des formalen Widerspruchsrechts weitgehend auf eine - unzulässige - einseitige Änderungsbefugnis des Unternehmers hinaus (vgl RS0128865 [T5]). Das entspricht auch der Judikatur des OGH.

OGH 29.8.2019, 3 Ob 139/19s
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Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Anmerkung des VKI:
Wie schon in anderen Bereichen, wie etwa bei den Banken, bestätigt der Oberste Gerichtshof nun auch für die Energiebranche, dass die Unternehmer nicht völlig schrankenlos ihre Preise ändern können. Da die Klausel gesetzwidrig ist, waren die Preiserhöhungen, die auf sie gestützt waren, ebenfalls unzulässig. Die EVN muss unseres Erachtens die entsprechenden Differenzbeträge zurückzahlen.

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